Angélique - Hochzeit wider Willen
begriff, dass es ihre Aufgabe war, das Zeichen zum Ende der Mahlzeit zu geben.
Sie stand auf, und die Versammlung tat es ihr nach. Lächelnd wollte sie Bernard d’Andijos’ allzu eilfertigem Arm ausweichen und lachte dann laut heraus, als sie feststellte, dass sie froh über seine tatkräftige Unterstützung sein musste. Der starke Wein drohte deutliche Auswirkungen auf ihren Gang zu haben. Im Übrigen lachten und scherzten alle, und die Gäste fanden sich zu Grüppchen zusammen und begaben sich Arm in Arm zum anderen Ende der Galerie.
»Seht Ihr, habe ich es Euch nicht gesagt?«, fuhr ihr eifriger Ritter fort. »Alles hier ist dazu angetan, glücklich zu sein und sich in Gesellschaft zu vergnügen, und eine Zerstreuung folgt auf die andere.«
Während er sie stützte, überhäufte er sie mit Fragen.
»Erzählt mir von Euren amourösen Entdeckungen... Euren Verzückungen! Das Strahlen Eurer Augen heute verrät alles!«
Mit dem Blick folgte Angélique der Gestalt des Grafen de Peyrac, der vor ihnen ging. Er hatte Madame de Lanzac einen Arm um die Taille gelegt und zog sie zu dem lichtdurchfluteten Areal, wo Obst und Sorbets serviert werden sollten. Sie sah die beiden von hinten; und merkwürdigerweise vermittelte bei dieser Beleuchtung und dem Stimmengewirr, das die melodischen Töne eines kleinen, hinter dem Laubengang verborgenen Orchesters beinahe übertönte, die Haltung des Edelmanns, der sich halb zu seiner Dame hinuntergebeugt hatte, den Eindruck,
er führe sie zum Tanz. Auf jeden Fall lachten die beiden und schienen sich ausgezeichnet zu verstehen; und Angélique sah immer wieder, wie sich das Profil der hübschen Frau mit einem hingerissenen Lächeln zu dem Mann hob, der sie im Arm hielt. Sie kam sich vor wie eine Zuschauerin bei einem Theaterstück, das ihr vollkommen unverständlich war. Ein kleiner Page, über dessen rundem, schwarzem Gesicht ein Turban mit einer Federkrone saß, trat zu dem Paar. Er trug ein Kissen in den Händen, auf dem ein Kästchen lag.
Andijos, der Angéliques Interesse bemerkt hatte, hielt sie zurück, damit sie besser beobachten konnte, was jetzt geschah.
Joffrey de Peyrac blieb stehen, öffnete das Kästchen und nahm ein Schmuckstück heraus. Er hob Madame de Lanzacs Hand, küsste ihr galant die Fingerspitzen und steckte ihr einen Ring an den Finger. Giralda sah aus, als stünde sie kurz vor einer Ohnmacht; doch dann kehrten ihre Kräfte zurück, und ihre begeisterten Dankesbekundungen mischten sich mit den Ausrufen der Damen und Herren, die sich um sie versammelten, um an ihrer Freude und Bewunderung teilzuhaben.
»Sieh an!«, meinte d’Andijos fröhlich. »Madame de Lanzac hat ihr Trostgeschenk erhalten. Das Geschenk soll sie die Foppereien vergessen machen, die sie sich über ihre ungeschliffene, trübsinnige Auvergne anhören musste... Sollte einer von Madame de Peyracs Freunden bei Tisch Gegenstand von Spott werden, versucht er stets, die Wunde, die ihm im Feuer der Debatte zugefügt wurde, durch eine persönliche Aufmerksamkeit zu lindern... Und diese ist immer äußerst kostspielig, besonders bei den Damen! Ein Privileg, für das man sich beinahe selbst verspotten lassen möchte, um seiner zartfühlenden Freundschaft teilhaftig zu werden... Ah! Er ist ein Meister der Verführung! Habe ich Euch das nicht gleich gesagt?«
Während der folgenden Tage wurde Angélique klar, dass der Palast des Grafen de Peyrac der meistbesuchte Ort der ganzen Stadt sein musste. Er selbst nahm tätigen Anteil an allen Lustbarkeiten. Seine hochgewachsene, schlaksige Gestalt bewegte sich von einer Gruppe zur anderen, und Angélique war erstaunt darüber, wie anregend seine bloße Gegenwart wirkte.
Sie gewöhnte sich an sein Äußeres, und der Widerwille, den sie zuerst empfunden hatte, verschwand nach und nach. Zweifellos hatten die Vorstellung, dass sie ihm körperliche Unterwerfung schuldete, und die Angst, die er ihr einflößte, stark dazu beigetragen, dass sie eine so heftige Ablehnung spürte. Nun, da sie diesbezüglich beruhigt war, musste sie sich eingestehen, dass dieser Mann von leidenschaftlicher Rede und heiterem, allem aufgeschlossenen Wesen Sympathie erweckte. Ihr gegenüber legte er allerdings eine große Gleichgültigkeit an den Tag. Obwohl er ihr alle Aufmerksamkeit erwies, die ihrer Stellung zustand, schien er sie kaum wahrzunehmen. Er begrüßte sie jeden Morgen, und bei den Mahlzeiten, an denen immer mindestens ein Dutzend Menschen teilnahmen, saß sie
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