Angélique - Hochzeit wider Willen
ist, dann wohl der Herzog de Mérecourt, dein Gatte, der so unklug war, dich in einem der Gepäckwagen aus Madrid mitzunehmen. Und gib endlich den Versuch auf, mich mit deinen glühenden Tiraden zu erweichen. Ich erinnere dich noch einmal an eines der Gesetze der höfischen Liebe: › Ein Liebhaber soll nicht mehr als eine Geliebte zugleich haben.‹ Und es heißt auch: › Eine neue Liebe verjagt die alte.‹«
»Sprichst du von mir oder von dir?«, verlangte sie zu wissen.
Ihr Gesicht war erbleicht und wirkte unter dem schwarzen Haar und vor ihrer schwarzen Kleidung weiß wie Marmor.
»Ist diese Frau, deine Gattin, der Grund, weshalb du so sprichst? Ich dachte, du hättest sie aus reiner Geldgier geheiratet. Eine Sache wegen eines Stücks Land, hast du zu mir gesagt. Hast du sie jetzt etwa auch zu deiner Geliebten gemacht? Ach, ich bezweifle nicht, dass sie in deinen Händen zu einer bemerkenswerten Schülerin wird! Genau wie mich wirst du sie glauben machen, sie sei einzigartig unter den Frauen. Aber ich kenne dich. Ich habe deine Grausamkeit durchschaut …
Die Zeit wird kommen, da wirst du dein Spielzeug wegwerfen, weil es dich nicht mehr zerstreut. Ha, ha! Lange wird das nicht auf sich warten lassen... Wie konntest ausgerechnet du dich hinreißen lassen, ein Mädchen aus dem Norden zu lieben …«
»Sie stammt nicht aus dem Norden, sondern ist Poitevinerin. Ich kenne das Poitou und habe dieses Land schon bereist; es ist ein liebliches Land, das einst zum Königreich Aquitanien gehört hat. Im Dialekt der Bauern hört man noch die Langue d’oc, und Angélique hat die gleiche Hautfarbe wie die Mädchen bei uns.«
»Ich sehe doch ganz genau, dass du sie nicht liebst«, rief die Frau unter beinahe unheimlichem Triumphgelächter aus. »Ah, ich kenne dich besser, als du glaubst... Sie ist dir gar nicht gewachsen! Du brauchst leidenschaftliche Frauen, und das bin ich. Dazu hast du mich gemacht!«
Sie fiel auf die Knie und klammerte sich an Joffreys Wams fest.
»Noch ist es nicht zu spät. Liebe mich. Nimm mich. Nimm mich jetzt!«
Angélique konnte es nicht länger mitanhören und flüchtete.
Sie rannte die Galerie entlang und fand sich in dem Gebäudeteil, in dem die Empfangsräume lagen, wieder.
Der Palast erwachte zum Leben. Im großen Saal saßen bereits einige Damen zusammen und reimten. Sie hielten Schreibtäfelchen und Griffel in der Hand und schlürften kühle Getränke. Eine von ihnen rief nach ihr.
»Angélique, Liebste, holt uns doch Euren Gatten. Bei dieser Hitze ermattet unser Erfindungsgeist, und wir möchten lieber plaudern …«
Angélique blieb nicht stehen, nahm sich aber so weit zusammen, den schwatzhaften Damen ein Lächeln zuzuwerfen.
»Plaudert nur, plaudert! Ich bin gleich zurück.«
Endlich erreichte sie ihr Zimmer und warf sich auf ihr Bett. Dann sprang sie wieder auf und lief in ihren Räumen auf und ab. Das geht zu weit, sagte sie sich immer wieder. Doch nach und nach musste sie sich wie beim letzten Mal eingestehen, dass sie nicht recht wusste, was sie derart aufwühlte. Jedenfalls war es unerträglich und konnte so nicht weitergehen. Wütend biss Angélique in ihr Spitzentaschentuch und warf düstere Blicke um sich. Zu viel Liebe, das war es, was ihr zusetzte. In diesem Palast, in dieser Stadt sprach jedermann über die Liebe, diskutierte über die Liebe, und das, obwohl der Erzbischof von seiner Kanzel aus Donner und Blitz regnen ließ und den Wüstlingen, den Freigeistern und ihren Mätressen, wenn er sie schon nicht auf den Scheiterhaufen bringen konnte, wenigstens das Höllenfeuer in Aussicht stellte. Reden, die ganz besonders gegen den Palast der fröhlichen Wissenschaft gerichtet waren.
Fröhliche Wissenschaft! Was sollte das überhaupt heißen? Fröhliche Wissenschaft! Liebliche Wissenschaft, deren Geheimnis schöne Augen zum Strahlen und schöne Kehlen zum Gurren brachte, Dichter inspirierte und Musiker mit sich riss. Und der
Meister dieses zärtlichen, verrückten Balletts war dieser Krüppel, der sich einmal spöttisch und dann wieder lyrisch gab; dieser Magier, der sich Toulouse durch Reichtum und Genuss untertan gemacht hatte! Seit der Zeit der Troubadoure hatte Toulouse keinen solchen Aufschwung, keinen solchen Triumph erlebt. Toulouse schüttelte das Joch des Nordens ab und fand seine wahre Bestimmung wieder …
»Oh! Ich hasse ihn, ich verabscheue ihn«, rief Angélique und stampfte mit dem Fuß auf.
Heftig zog sie an einem Glöckchen aus
Weitere Kostenlose Bücher