Angélique - Hochzeit wider Willen
meine Wunderschöne«, erwiderte Joffrey in einem Tonfall sanften Tadels. »Ich konnte nicht zulassen, dass Ihr Euch noch länger vor mir erniedrigt. Das hättet Ihr mir niemals vergeben. Kommt, erhebt Euch, Carmencita. In dieser Gluthitze werden Eure Kleider bald wieder trocken sein. Setzt Euch doch vor mich in diesen Sessel.«
Mühsam stand sie auf. Sie war hochgewachsen, eine jener üppigen Schönheiten, wie sie die Maler Rembrandt und Rubens verherrlichten.
Sie nahm in dem Sessel, den er ihr angewiesen hatte, Platz. Aus ihren weit aufgerissenen schwarzen Augen starrte sie verstört vor sich hin.
»Was ist denn nun?«, ließ sich der Graf erneut vernehmen. Angélique erschauerte, denn diese von seiner Person losgelöste Stimme übte einen großen Zauber auf sie aus. »Schaut, Carmencita, es ist jetzt mehr als ein Jahr her, dass Ihr Toulouse verlassen habt. Ihr seid mit Eurem Mann, dessen hohe Stellung Euch ein glänzendes Leben garantierte, nach Paris gegangen. So weit habt Ihr die Undankbarkeit gegenüber unserer kleinen Provinzgesellschaft getrieben, dass Ihr nie ein Lebenszeichen geschickt habt. Und jetzt werft Ihr Euch mit einem Mal im Palast der fröhlichen Wissenschaft vor mir nieder, schreit und verlangt... ja, was eigentlich?«
»Liebe!«, erwiderte sie keuchend und mit heiserer Stimme. »Ich kann nicht ohne dich leben. Ach, unterbrich mich nicht. Du hast ja keine Ahnung, wie ich während dieses langen Jahres gelitten habe. Ja, ich habe geglaubt, in Paris könne ich meinen Hunger nach Vergnügungen und Lustbarkeiten stillen. Doch mitten in den schönsten Festen bei Hofe fühlte ich mich übersättigt und
musste an Toulouse und an den rosafarbenen Palast der fröhlichen Wissenschaft denken. Ich überraschte mich dabei, wie ich mit leuchtenden Augen davon erzählte, und die Leute spotteten über mich. Ich hatte Liebhaber, aber ihre Grobheit hat mich abgestoßen. Da habe ich begriffen: Du warst es, der mir fehlte. Nachts lag ich mit offenen Augen da und sah dich vor mir. Ich sah deine Augen, in denen das Feuer deiner Schmelzöfen brannte, so heiß, dass ich fast verging. Deine erfahrenen Hände.«
»Und meinen anmutigen Gang!«, fügte er mit einem Auflachen hinzu.
Er stand auf und trat auf sie zu, wobei er sein Hinken mit Absicht betonte.
»Versuch nicht, mich fortzustoßen, indem du mich dazu bringst, dich zu verachten«, sagte sie. »Dein Hinken, deine Verletzungen... was zählt das schon in den Augen der Frauen, die du geliebt hast, verglichen mit dem Geschenk, das du ihnen machst?«
Sie streckte ihm die Hände entgegen.
»Du, du schenkst ihnen Lust«, flüsterte sie. »Ehe ich dir begegnet bin, war ich kalt. Du hast ein Feuer in mir entzündet, das mich verzehrt.«
Angéliques Herz klopfte zum Zerspringen. Sie hatte Angst, wenngleich sie nicht wusste, wovor. Vielleicht davor, dass die Hand ihres Mannes sich auf diese schöne, golden schimmernde Schulter legen würde, die sich ihm so schamlos darbot.
Doch der Graf lehnte sich an einen Tisch und rauchte mit gleichmütiger Miene. Er wandte ihr sein Profil zu, und zwar so, dass die entstellte Seite seines Gesichts unsichtbar blieb. Mit einem Mal sah sie einen ganz anderen Mann vor sich, dessen
Züge unter der Fülle des dichten schwarzen Haars ziseliert wie eine Medaille wirkten.
»Wer sich der Wollust zu sehr ergibt, weiß nicht wahrhaft zu lieben«, erklärte er, während er gelassen eine blaue Rauchwolke ausstieß. »Erinnere dich an die Leitsätze der höfischen Liebe, die du im Palast der fröhlichen Wissenschaft gelernt hast. Kehre nach Paris zurück, Carmencita, das ist der geeignete Ort für Menschen wie dich.«
»Wenn du mich fortjagst, gehe ich ins Kloster. Mein Mann will mich ohnehin dorthin schicken.«
»Eine ausgezeichnete Idee, meine Teure. Wie ich höre, gründet man in Paris derzeit eine große Anzahl gottesfürchtiger Zufluchtsstätten, wo die Frömmigkeit Mode ist. Hat Königin Anna von Österreich für die Benediktinerinnen nicht soeben das wunderschöne Kloster Val-de-Grâce erbauen lassen? Auch das Haus der Heimsuchung Mariens in Chaillot ist sehr beliebt.«
Carmencitas Augen sprühten Blitze.
»Das ist also der Eindruck, den ich auf dich mache? Ich bin bereit, den Schleier zu nehmen und mich im Kloster zu begraben, und du hast nicht einmal ein Wort des Bedauerns für mich?«
»Ich bringe nur ein begrenztes Maß an Mitleid auf. Wenn in dieser ganzen Geschichte überhaupt jemand zu bedauern
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