Angélique - Hochzeit wider Willen
zu fahren«, meinte Angélique. »Dann wäre sie wenigstens zu etwas nütze.«
Doch der galante Italiener protestierte, rieb sich dabei allerdings den schmerzenden Rücken.
»Pfui, Signorina, ein Mann, der dieser Bezeichnung würdig ist, wird sich doch nicht in einer Kutsche lümmeln, während eine junge Dame zu Pferd reist.«
»Eure Bedenken sind altmodisch, mein armer Bernalli. Heutzutage macht man nicht mehr solch ein Gewese darum. Außerdem kenne ich Euch inzwischen ein wenig besser und bin mir sicher, dass Ihr nur unsere hydraulische Apparatur zu sehen braucht, die hin und her wippt und Wasser spritzt, damit Ihr von all Euren Beschwerden kuriert seid.«
Die Miene des Gelehrten leuchtete auf.
»Erinnert Ihr Euch tatsächlich noch an meine kindliche Leidenschaft für die Wissenschaft, die ich Hydraulik nenne, Madame? Euer Gatte hat es sich natürlich nicht entgehen lassen, mich zu ködern, indem er mir erklärt hat, er habe in Salsigne eine Maschine erbaut, die das Wasser aus einem Bach, der durch eine tiefe Schlucht fließt, hochpumpt. Mehr bedurfte es nicht, um mich wieder auf die Landstraße zu jagen. Ich frage mich, ob er da nicht das Perpetuum mobile entdeckt hat.«
»Da täuscht Ihr Euch, mein Guter«, ließ sich hinter ihnen Joffrey de Peyracs Stimme vernehmen, »es handelt sich nur um einen Nachbau der hydraulischen Stoßheber, die ich in China gesehen habe und die Wasser aus mehr als einhundertfünfzig Klafter Tiefe fördern können. Seht doch. Wir sind da.«
Bald hatten sie das Ufer eines kleinen Wildbachs erreicht und konnten eine Art Wippkasten erkennen, der sich in regelmäßigen Abständen plötzlich um seine eigene Achse drehte und in einer eleganten Kurve einen hohen Wasserstrahl hervorstieß.
Dieses Wasser wiederum ging in einer Art höher gelegenem Becken nieder, wo es von hölzernen Leitungen aufgenommen wurde und langsam abfloss. Ein künstlicher Regenbogen warf sein schillerndes Licht über die Maschine, und Angélique fand
den hydraulischen Stoßheber sehr hübsch. Bernalli allerdings schien enttäuscht zu sein.
»Ihr verliert da ja neunzehn Zwanzigstel des Bachwassers«, meinte er grollend. »Das hat absolut nichts mit einem Perpetuum mobile zu tun!«
»Es ist mir vollkommen gleichgültig, ob ich Wasser und Kraft verliere«, erwiderte der Graf. »Mir kommt es nur darauf an, dort oben Wasser zu haben, und die kleine Menge reicht mir aus, um mein goldhaltiges Geröll einzuschmelzen.«
Sie verschoben den Besuch im Bergwerk auf den folgenden Tag. Der Dorfschulze hatte einfache, aber ausreichende Unterkünfte für sie vorbereitet. Ein Karren hatte Betten und Koffer gebracht. Doch Peyrac überließ die Häuser Bernalli, dem Mönch Bécher sowie Andijos, der natürlich ebenfalls mit von der Partie war.
Er selbst zog es vor, in einem großen Zelt mit doppeltem Dach zu nächtigen, das er aus dem Orient mitgebracht hatte.
»Ich glaube, wir haben von den Kreuzfahrern des Orients die Gewohnheit ererbt, unser Lager im Freien aufzuschlagen. Bei dieser Hitze und in diesem Landstrich, dem trockensten von ganz Frankreich, werdet Ihr sehen, Angélique, dass man es dort viel angenehmer hat als in einem Gebäude aus Stein und gestampfter Erde.«
In der Tat, als es Abend geworden war, genoss sie die frische Luft, die von den Bergen herunterwehte. Die Zeltbahnen waren hochgeschlagen, sodass sie den von der untergehenden Sonne rosig überhauchten Himmel sehen konnte; und vom Bachufer drangen die traurigen, getragenen Lieder der sächsischen Bergleute zu ihr herüber.
Joffrey de Peyrac machte, ganz gegen seine Gewohnheit, einen sorgenvollen Eindruck.
»Ich kann diesen Mönch nicht ausstehen!«, rief er plötzlich heftig aus. »Er wird nicht nur rein gar nichts begreifen, sondern auch noch alles nach seinem verdrehten Geist auslegen. Da hätte ich mich noch lieber dem Erzbischof erklärt, aber der will ja unbedingt einen ›wissenschaftlichen Zeugen‹. Ah, ah, was für ein Witz! Alles wäre besser als dieser Paternosterquäler.«
»Immerhin«, wandte Angélique ein, da sie die Spannung, die durch die Anwesenheit des ›wissenschaftlichen Zeugen‹ entstanden war, mildern wollte, »heißt es nicht, viele hervorragende Wissenschaftler seien auch Kirchenmänner?«
Mühsam unterdrückte der Graf eine gereizte Handbewegung.
»Das streite ich ja gar nicht ab und gehe sogar noch weiter. Ich behaupte, dass die Kirche jahrhundertelang das kulturelle Erbe der Welt zusammengetragen
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