Angélique - In den Gassen von Paris
du?«
»Möchtet Ihr noch Pfannkuchen und Marmelade?«
»Nein, ich will dich. Dein Anblick und deine Berührung reichen aus, um mich zu sättigen. Ich will deine Kirschlippen und deine Pfirsichwangen. Alles an dir ist essbar. Etwas Schöneres kann sich ein hungerleidender Poet nicht vorstellen … Dein Fleisch ist zart. Ich habe Lust, dich zu beißen. Und du bist warm…! Das ist wunderbar! Beim Duft deiner Achseln sterbe ich vor Hunger …«
»Oh, Ihr seid unmöglich«, protestierte sie und machte sich los. »Ihr macht mich ganz verrückt mit Euren lyrischen und trivialen Ergüssen.«
»Das ist auch meine Absicht. Also komm, zier dich nicht.«
Mit einer energischen Bewegung, die bezeugte, dass seine Kräfte zurückgekehrt waren, zog er sie wieder an sich, drückte ihren Kopf so zurück, dass er in seiner Armbeuge lag, und küsste sie erneut.
Eine hölzerne Schöpfkelle knallte auf den Tisch, und die beiden fuhren auseinander.
»Beim heiligen Jakobus!«, brüllte Meister Bourjus. »Dieser verfluchte Zeitungsschreiber, dieser Satansjünger, dieser Verleumder in meinem Haus, in meiner Kammer, und scharwenzelt um meine Tochter herum! Hinaus, Elender, sonst setze ich dich mit einem Tritt in die Rückseite auf die Straße.«
»Gnade, Messire, Gnade für meine Hosen! Sie sind so abgetragen, dass Euer erhabener Fuß womöglich ein Schauspiel anrichtet, das für die Damen unschicklich ist.«
»Hinaus, unverschämter Bengel, Schreiberling, Nägelkauer! Mit deinen durchlöcherten Lumpen und deinem Gauklerhut entehrst du mein Lokal.«
Aber der andere war bereits, lachend und mit beiden Händen sein bedrohtes Hinterteil schützend, zur Tür gerannt, die auf die Straße führte. Er drehte Meister Bourjus noch eine Nase und verschwand.
»Dieser Bursche ist einfach in die Kammer gekommen, und ich konnte ihn nicht loswerden«, erklärte Angélique wenig überzeugend.
»Hm!«, brummte der Bratkoch, »auf mich hast du aber nicht besonders unzufrieden gewirkt. Gemach, meine Schöne, und widersprich mir nicht. Ich schimpfe ja nicht auf dich: ein wenig Zärtlichkeit von Zeit zu Zeit hält ein
hübsches Mädel bei Laune. Aber ehrlich, Angélique, du enttäuschst mich. Kommen denn nicht genug ehrliche Leute in unsere Gastwirtschaft? Warum verlegst du dich auf einen Tintenkleckser?«
Mademoiselle de La Vallière, die Favoritin des Königs, hatte einen zu breiten Mund, und sie hinkte ein wenig. Es hieß, das verleihe ihr eine besondere Anmut und hindere sie nicht daran, bezaubernd zu tanzen, aber es blieb dabei: Sie hinkte.
Sie hatte keinen Busen. Man verglich sie mit Diana, man sprach vom Zauber androgyner Wesen, aber deswegen war ihre Brust trotzdem flach. Ihre Haut war trocken wegen der Tränen, die sie über die Untreue des Königs und die Demütigungen bei Hof vergossen hatte. Ihre Augen lagen tief in den Höhlen, und sie magerte ab. Schließlich litt sie nach ihrer zweiten Schwangerschaft an einer Unpässlichkeit, die sich im Schlafgemach zeigte und über die einzig Ludwig XIV. genaue Auskunft hätte geben können. Doch der Schmutzpoet wusste Bescheid.
Und aus all diesen verborgenen oder bekannten Übeln, aus diesen körperlichen Unzulänglichkeiten verfertigte er ein erstaunliches, geistreiches Pamphlet, das jedoch so boshaft und direkt war, dass selbst die weniger prüden Bürger es ihren Frauen nicht zu lesen gaben; woraufhin diese es sich bei ihren Dienstmädchen besorgen mussten.
Hinkefüßchen, fünfzehn Jahr’ alt? Einerlei!
Kein Busen, wenig Hirn? Nichts dabei!
Wer deine Eltern sind, weiß nur der Herr?
Macht nichts! Lass dir nur hinter angelehnter Tür
zwei Kinder machen, kleines Jungfräulein,
dann ist der höchste Schatz bald dein!
Die La Vallière ist der Beweis dafür.
So begann das Lied.
Überall in Paris tauchte diese Schmähschrift auf; im Hôtel Biron, wo Louise de La Vallière wohnte, im Louvre und sogar bei der Königin, die angesichts dieses Porträts ihrer Rivalin seit langer Zeit zum ersten Mal lachte und sich vor Freude die kleinen Hände rieb.
Mademoiselle de La Vallière war verletzt und schämte sich zu Tode. Sie sprang in die erstbeste Kutsche und ließ sich zum Kloster von Chaillot fahren, um den Schleier zu nehmen.
Der König befahl ihr, zurückzukommen und sich bei Hof zu zeigen.
Er schickte Monsieur Colbert hinter ihr her.
Dass er sie zurückrief, war weniger wegen verletzter Liebe als wegen des Zorns und Trotzes eines Monarchen, den sein Volk zu verspotten wagte und der
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