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Angélique - In den Gassen von Paris

Angélique - In den Gassen von Paris

Titel: Angélique - In den Gassen von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Golon
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etwas«, brummte er und stützte die Hände auf die Knie, um sie besser ansehen zu können.
     
    Angélique sagte sich, sie sei verrückt, ausgerechnet in dem Moment, in dem sie dem Menschenfresser vollkommen ausgeliefert war, seinen Zorn zu provozieren. Sie versuchte, ihren Worten die Schärfe zu nehmen.
    »Ich würde es schon gern tun, aber von Eurer Soldatenausrüstung verstehe ich nichts. Eure Stiefel sind so groß und meine Hände so klein! Schaut doch.«
    »Du hast recht, deine Hände sind winzig«, räumte er ein. »Du hast die Hände einer Herzogin.«
    »Ich kann es versuchen…«
    »Lass nur, mein zartes Vögelchen«, knurrte er und schob sie zurück.
    Er packte einen seiner Stiefel und begann daran zu zerren, wobei er sich verrenkte und Grimassen zog.
    In diesem Moment waren vom Gang her Schritte zu vernehmen.
    »Hauptmann! Hauptmann«, rief jemand.
    »Was ist?«
    »Gerade ist eine Leiche reingekommen, die man in der Nähe des Petit Pont aus dem Wasser gefischt hat.«
    »Bringt sie ins Leichenhaus.«
    »Ja … Das Problem ist bloß, dass sie einen Messerstich im Bauch hat. Ihr müsstet das schon bestätigen.«
    Der Hauptmann fluchte so gotteslästerlich, dass davon
eigentlich der Turm der benachbarten Kirche hätte einstürzen müssen, und rannte nach draußen.
     
    Angélique wartete und fror immer stärker. Sie begann zu hoffen, die Nacht könne auf diese Weise vergehen. Vielleicht würde ja der Hauptmann nicht zurückkehren, oder –wer weiß? – es stieß ihm etwas zu. Doch bald vernahm sie von Neuem seine laute, polternde Stimme. Ein Soldat begleitete ihn.
    »Zieh mir die Stiefel aus«, befahl er dem Mann. »Gut so. Und nun verzieh dich. Und du, Mädchen, kriech schon mal ins Bettchen, statt stocksteif da herumzustehen und mit den Zähnen zu klappern.«
     
    Angélique wandte sich ab und trat an den Alkoven. Dann begann sie sich zu entkleiden. Sie fühlte sich, als ob ein Stein in ihrer Magengrube säße. Sollte sie ihr Hemd ausziehen? Schließlich entschied sie, es anzubehalten. Sie kletterte ins Bett und spürte trotz ihrer Beklommenheit doch ein Gefühl des Wohlbehagens, als sie unter das Oberbett schlüpfte. Die Decken waren weich, und bald wurde ihr wärmer. Sie hielt das Laken bis unters Kinn hochgezogen und sah zu, wie der Hauptmann sich auskleidete.
    Dieser Mann war ein Naturereignis: Er knirschte, prustete, stöhnte und knurrte, und der Schatten, den seine gewaltige Gestalt warf, nahm eine ganze Wand ein.
    Er nahm seine prächtige braune Perücke ab und stülpte sie sorgfältig über einen hölzernen Halter.
    Nachdem er sich kräftig über den Schädel gerieben hatte, legte er die letzten Kleidungsstücke ab.
    Auch ohne Stiefel und Perücke und nackt wie eine klassische Herkules-Statue wirkte der Hauptmann der Wache noch äußerst imposant. Sie hörte, wie er in einem Wassereimer
planschte. Als er zurückkam, hatte er sich züchtig ein Handtuch um die Lenden geschlungen.
     
    In diesem Moment wurde erneut an die Tür geklopft.
    »Hauptmann! Hauptmann!«
    Er öffnete.
    »Hauptmann, die Wache ist zurück und meldet, dass in einem Haus in der Rue des Martyrs eingebrochen wurde, und …«
    »Himmelherrgott noch mal!«, brüllte der Hauptmann. »Wann kapiert ihr endlich, dass ich der einzige Märtyrer hier bin! Wisst ihr denn nicht, dass ich in meinem Bett ein hübsches Täubchen habe, das seit drei Stunden auf mich wartet? Glaubt ihr, ich hätte Zeit, mich um euren Schwachsinn zu kümmern?«
     
    Er schlug die Tür zu und schob knallend die Riegel vor. Nackt blieb er dann einen Moment lang dort stehen und stieß eine Flut von Beschimpfungen aus. Nachdem er sich beruhigt hatte, band er sich ein Tuch um den Kopf und verknotete es so, dass über seiner Stirn zwei Zipfel kokett emporragten.
    Schließlich nahm er den Leuchter und trat vorsichtig an den Alkoven heran.
     
    Angélique, die ihre Decken bis unters Kinn gezogen hatte, sah zu, wie sich dieser von unten rötlich angestrahlte Riese näherte, dessen Kopf einen grotesken, gehörnten Schatten an die Decke warf.
    In ihrem Zustand – entspannt durch die Bettwärme, erschöpft vom Warten und beinahe schon eingeschlummert –kam ihr diese Erscheinung so komisch vor, dass sie mit einem Mal losprusten musste.

     
    Der Menschenfresser hielt inne und betrachtete sie verblüfft. Sein rundes Gesicht nahm einen freundlichen, gutmütigen Ausdruck an.
    »Ho, ho! Das Schätzchen lacht mich an! Na, darauf war ich nicht gefasst! Denn bisher hast du dich

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