Angelique und der Koenig
könnte, von dieser Vorrichtung üblen Gebrauch zu machen? Beispielsweise zu bestimmen, sie solle angesichts ihrer Neuartigkeit, ihrer Originalität ausschließlich zur Hinrichtung der Großen seines Landes dienen? Wie, wenn er sie zur Einweihung gleich an einem der Größten unter den Großen, seinem vornehmsten Untertan, nämlich der hier anwesenden Exzellenz, ausprobierte? Zumal, wenn der Erfolg seiner Mission den Hoffnungen des Königs der Könige nicht entsprechen sollte…?«
Während der Jesuit dolmetschte, hellte sich das Gesicht des Fürsten zunehmend auf. Zur Erleichterung aller begann er herzlich zu lachen.
»Fuzul Khanum (Kleine Schelmin, kleine Teufelin)!« rief er aus.
Die Hände über der Brust gekreuzt, verneigte er sich mehrmals vor der jungen Frau.
»Er sagt, Euer Rat sei der Weisheit Zoroasters würdig… Er gebe seine Absicht auf, die Todesstrafe des Rades in seinem Lande einzuführen... das deren ohnehin eine stattliche Anzahl besitze... Und er bittet Euch, ihn jetzt zu seiner Wohnung zu begleiten. Er möchte Euch zu einem Imbiss einladen.«
Soliman Bachtiari Bey setzte sich an die Spitze des Zuges. Mit einem Schlag war er der Charme und die Zuvorkommenheit selbst geworden. Unterwegs überbot man sich im Austausch von Liebenswürdigkeiten, und Angélique wurde – durch Vermittlung des schmallippigen Jesuiten, der sie wie einen Rosenkranz herunterleierte – mit Titeln wie »zarte Gazelle von Kashan«, »Rose der Zend-Avesta von Ispahan« und schließlich »Lilie von Versailles« bedacht.
Sie gelangten rasch zu dem Gebäude, das der Botschafter sich als vorläufiges Quartier bis zu seinem feierlichen Einzug in Versailles und Paris erwählt hatte. Es war ein recht bescheidenes Landhaus inmitten eines Gartens mit vergilbtem Rasen und einigen spärlichen, moosüberwachsenen Statuen. Bachtiari Bey entschuldigte sich wegen der Ärmlichkeit seiner Unterkunft. Er war hier eingezogen, weil der Besitzer türkische Bäder hatte einbauen lassen und er auf diese Weise seine rituellen Waschungen vornehmen und sich sauberhalten konnte. Es grauste ihm bei dem Gedanken, dass kein Pariser Haus über eine Warmbad-Einrichtung verfügte.
Einige persische Bediente eilten herbei, deren jeder mit Säbeln und Dolchen bewaffnet war. Hinter ihnen tauchten zwei französische Edelleute auf. Einer von ihnen, dessen riesige Perücke den kleinen Wuchs seiner Figur auszugleichen suchte, rief in schneidendem Ton:
»Schon wieder eine Kurtisane! Pater Richard, Ihr habt doch hoffentlich nicht die Absicht, diese Kreatur hier unterzubringen. Monsieur Dionis verbittet sich, dass man sein Haus noch länger profaniert.«
»Ich sage das nicht«, protestierte der andere. »Ich kann es verstehen, dass Seine Exzellenz das Bedürfnis nach Zerstreuung empfindet.«
»Ach was«, unterbrach ihn der kleine Mann bissig.
»Wenn der Fürst sich zerstreuen will, soll er sich gefälligst nach Versailles verfügen und sein Beglaubigungsschreiben übergeben, anstatt sich darin zu gefallen, eine das Schamgefühl verletzende Situation endlos in die Länge zu ziehen.«
Als der Jesuit endlich zu Wort kam, stellte er Angélique vor. Der Mann mit der Perücke wurde abwechselnd rot und blass.
»Ich bitte Euch tausendmal um Verzeihung, Madame. Ich bin Saint-Amon, vom König beauftragt, Seine Exzellenz zum Hof zu geleiten. Vergebt mir meinen Irrtum.«
»Ihr seid vollkommen entschuldigt, Monsieur de Saint-Amon. Ich begreife durchaus, dass mein Kommen Anlass zur Verwechslung gab.«
»Ach, Madame, Ihr solltet mich bedauern! Ich weiß mir nicht mehr zu helfen. Ich bringe es nicht fertig, diese barbarischen Individuen mit ihren schamlosen Sitten von der Notwendigkeit größerer Eile zu überzeugen. Und Pater Richard, der doch auch Franzose ist und Geistlicher überdies, steht mir nicht im geringsten bei! Seht Euch nur sein verschmitztes Lächeln an!«
»Oho! Steht Ihr vielleicht mir bei?« gab der Jesuit zurück. »Ihr seid Diplomat. Beweist also ein wenig Diplomatie. Ich bin nur Dolmetscher, allenfalls Berater. Ich habe den Botschafter in privater Eigenschaft begleitet, und Ihr solltet Euch glücklich schätzen, dass ich als Dolmetscher zu Euren Diensten stehe.«
»Eure Dienste sind auch die meinen, mein Vater, denn wir sind beide Untertanen des Königs von Frankreich.«
»Ihr vergesst, dass ich in erster Linie Diener Gottes bin!«
»Roms, wollt Ihr sagen. Jedermann weiß, dass in den Augen Eures Ordens der Kirchenstaat mehr gilt als das Königreich
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