Angelique und der Koenig
Gesinnung des Schahs von Persien. Sie weiß sehr wohl, dass dieses Elixier überaus selten ist. Kein Land der Welt besitzt es außer Persien.«
»Keines«, bestätigte der Bey, dessen Augen einen schwärmerischen Glanz bekamen. »Es ist das Geschenk Allahs an ein Volk, das das größte unter den Völkern war... das dank der Fruchtbarkeit seines Geistes noch immer groß ist. Allah hat es gesegnet, indem er ihm das kostbare und geheimnisvolle Elixier übereignete. Seine Quellen sind spärlich geworden, und deshalb bleibt die Mumia einzig den Prinzen von Geblüt vorbehalten. Die Felsen, die sie ausschwitzen, werden von der königlichen Garde bewacht. Jede Quelle ist mit den Siegeln der fünf höchsten Beamten der Provinz verschlossen. Sie haften mit ihrem Kopf dafür, dass kein einziger Tropfen gestohlen wird.«
»Wie mag diese Flüssigkeit aussehen?«
Auf Bachtiari Beys Lippen war das Lächeln zurückgekehrt.
»Ihr seid neugierig und ungeduldig wie eine Odaliske, der ihr Herr eine Belohnung zugesagt hat… Aber... es gefällt mir, wenn Eure Augen leuchten.«
Er klatschte in die Hände und gab einer herbeieilenden Wache Anweisungen.
Wenige Augenblicke später traten zwei Diener ein, die ein schweres Kästchen aus Rosenholz mit Gold- und Perlmutterintarsien trugen. Vier Janitscharen, die Lanze in der Faust, rahmten sie ein.
Das Kästchen wurde auf einen Nipptisch vor dem Diwan gestellt, und Bachtiari Bey öffnete es ehrfurchtsvoll. Es enthielt ein Ziergefäß aus massivem blauem Porzellan mit langem, weitem Hals. Der Perser zog den Stöpsel aus Jade heraus, der die Öffnung verschloss, und Angélique beugte sich darüber. Sie sah eine dunkle, irisierende Flüssigkeit, die ihr von öliger Konsistenz erschien und deren durchdringender Geruch sich mit keinem anderen vergleichen ließ. War er unangenehm oder angenehm? Sie hätte es nicht zu sagen vermocht. Betäubt und mit einem jähen Schmerz in den Schläfen richtete sie sich auf. Während er in leierndem Tonfall Gebete murmelte, neigte der Perser das Gefäß, um ein paar Tropfen in eine silberne Schale zu gießen; er tauchte einen Finger hinein und legte ihn sanft auf Angéliques, dann auf die eigene Stirn.
»Ist es eine Arznei?« fragte sie tonlos.
»Es ist das Blut der Erde«, murmelte er mit verzücktem Ausdruck, »die aus den Tiefen gekommene Verheißung... die geheimnisvolle Botschaft der Geister, die die Welt lenken... La illaha illalah! Mohammedu rossul ullah!« (Es gibt nur einen Gott. Mohammed ist sein Prophet und Ali sein Vezir.)
»Ali vali ullah«, antworteten die Diener, während sie sich zu Boden warfen.
Nachdem sie sich mit dem verehrungswürdigen Elixier zurückgezogen hatten, traf Angélique Anstalten, sich zu verabschieden. Der Botschafter war sichtlich enttäuscht. Es bedurfte zahlreicher Umschreibungen und mannigfaltiger poetischer Vergleiche, um ihm begreiflich zu machen, dass man in Frankreich Frauen von Stand nicht als gewöhnliche Kurtisanen betrachte, dass man sie nur durch zartes und lange Zeit platonisches Werben erobern könne.
»Unsere persischen Dichter haben ihre Geliebten zu besingen verstanden«, sagte der Fürst. »So hat in vergangenen Jahrhunderten der große Saadi gedichtet:
Den du gefangen hältst, er lebt in ewig jungem Glück:
Für immerwährend Paradies lässt ihn nicht altern.
Seit ich dich erstmals sah, weiß ich,
wohin mich zum Gebete wenden:
Zu deinem Orient steigt meine Inbrunst auf.
Muss man auf solche Weise reden, um die spröden Frauen Frankreichs zu erobern? Ich werde Euch Firuze-Khanum nennen... Madame Türkis... Das ist der kostbarste aller Edelsteine, das Sinnbild des alten Persiens der Meder, Blau ist in unserem Lande die beliebteste Farbe…«
Bevor sie noch eine ablehnende Geste machen konnte, hatte er einen schweren Ring von seinem Finger genommen und über einen der ihren gestreift.
»Madame Türkis... das ist der Ausdruck meiner Freude, wenn Ihr die Augen zu mir erhebt. Dieser Stein besitzt das Vermögen, die Farbe zu wechseln, wenn derjenige, der ihn trägt, ein schlechtes Gewissen hat oder unaufrichtig ist.«
Er sah sie mit einem sanften, ein wenig spöttischen Lächeln an, das sie faszinierte. Am liebsten hätte sie das Geschenk zurückgewiesen, aber sie brachte es nicht über sich. Während sie sich über den Stein neigte, der nun ihre Hand zierte, murmelte sie. »Barik Allah!«
Bachtiari Bey erhob sich. Seine Bewegungen waren von katzenartiger Geschmeidigkeit und ließen auf ungewöhnliche Körperkraft
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