Angelique und der Koenig
Frankreich.«
Das Ende des Wortwechsels entging Angélique, denn Bachtiari Bey hatte sie beim Handgelenk genommen und drängte sie ins Innere des Hauses. Sie durchquerten ein Vorzimmer mit Mosaikfußboden und betraten den dahinterliegenden Raum, gefolgt von ihren Pagen, dem des Fürsten, der die unvermeidliche Wasserpfeife trug, und Flipot, der beim Anblick der Wandbehänge, Teppiche und schillernden, bunten Kissen vor Staunen die Augen aufriss. Möbel aus edlen Hölzern, Vasen und Schalen aus blauer Fayence vervollständigten die Einrichtung.
Der Fürst setzte sich mit gekreuzten Beinen und bedeutete Angélique, ein gleiches zu tun.
»Ist es unter Franzosen üblich, sich vor andern Leuten und bei jeder Gelegenheit zu streiten?« fragte er in einem etwas schleppenden, aber vollendeten Französisch.
»Ich stelle erfreut fest, dass Euer Exzellenz unsere Sprache vorzüglich spricht.«
»Seit zwei Monaten höre ich den Franzosen zu… ich hatte genügend Zeit zu lernen. Vor allem weiß ich sehr genau, wie man unangenehme Dinge sagt… und kenne viele... Schimpfwörter... Jawohl. Und ich bedaure es... denn ich möchte Euch andere Dinge sagen.«
Angélique lachte hellauf.
Der Bey betrachtete sie.
»Euer Lachen ist wie eine Quelle in der Wüste.«
Er führte das Mundstück seiner Pfeife an die Lippen und rauchte in kleinen Zügen, ohne seinen dunklen, heißen Blick von seiner Besucherin zu wenden.
»Mein Astrologe hat mir gesagt... heute sei ein›weißer‹, ein glückbringender Tag. Und Ihr seid gekommen... Euch will ich es sagen... Ich fühle mich unsicher in diesem Land. Seine Sitten sind wunderlich und unbegreiflich.«
Mit einer Handbewegung bedeutete er seinem dösenden Pagen, Schalen mit Fruchtsorbet, Nougat und einer durchsichtigen Paste anzubieten.
Angélique bemerkte zögernd, sie verstehe Seine Exzellenz nicht. Was denn so wunderlich sei an den französischen Gebräuchen?
»Alles... Die Fellahs... wie sagt man... Leute der Erde…«
»Bauern.«
»Richtig... Sie starren mich stehend unverschämt an, wenn ich vorbeikomme. Kein einziger hat auf meiner langen Reise mit seiner Stirn den Staub berührt… Euer König, der mich wie einen Gefangenen zu sich bringen lassen will... in einer Kutsche... mit Wachen an den Wagenschlägen. Und dieser kleine Mann, der mich anzuschreien wagt: ›Los! Los! Nach Versailles!‹ Als ob ich ein Sischak wäre, ein Packesel, während ich es mir doch aus Ehrerbietung dem großen Monarchen gegenüber schuldig bin, meine Schritte zu verlangsamen... Weshalb lächelt Ihr, o schöne Firuze, deren Augen dem kostbarsten aller Edelsteine gleichen?«
Sie bemühte sich, ihm begreiflich zumachen, dass es sich um Missverständnisse handele. In Frankreich werfe man sich nicht zu Boden. Die Frauen machten eine Reverenz. Um es zu demonstrieren, erhob sie sich und vollführte zur größten Belustigung ihres Gastgebers einige Knickse.
»Ich verstehe«, sagte er. »Es ist ein Tanz... gemessen und fromm, den die Frauen vor ihrem Fürsten tanzen. Das gefällt mir sehr. Ich werde ihn meinen Frauen beibringen... Der König scheint es letzten Endes doch gut mit mir zu meinen, da er Euch geschickt hat. Ihr seid der erste Mensch, den ich unterhaltsam finde... Die Franzosen sind recht langweilige Leute.«
»Langweilig!« protestierte Angélique. »Euer Exzellenz irrt sich. Die Franzosen stehen im Ruf, sehr lustig, sehr amüsant zu sein.«
»Ent-setz-lich langweilig!« skandierte der Fürst.
»Die, die ich bisher gesehen habe, schwitzen Langeweile aus wie der Felsen in der Wüste die kostbare Mumia…«
Der Vergleich des Botschafters erinnerte Angélique an Meister Savary und den Anlass ihres Hierseins.
»Die Mumia... Ist es möglich, Euer Exzellenz! Seine Majestät der Schah von Persien hat geruht, unserem Monarchen ein wenig von jener so seltenen Flüssigkeit zu schicken?«
Des Botschafters Gesicht verfinsterte sich. Er sah sie an wie ein Sultan den Sklaven, den er des Verrats verdächtigt.
»Woher wisst Ihr, dass sie sich unter meinen Geschenken befindet?«
»Es wird davon gemunkelt, Exzellenz. Der Ruhm dieser Kostbarkeit ist über die Meere gedrungen!«
Bei aller Gelassenheit konnte Bachtiari Bey sein Erstaunen nicht verheimlichen.
»Ich glaubte, der König lege keinen sonderlichen Wert auf die Mumia... Womöglich hätte er mir die Kränkung zugefügt, sich in Unkenntnis ihres Wertes über sie lustig zu machen.«
»Ganz und gar nicht, Seine Majestät ermisst vielmehr an einem solchen Geschenk die hochherzige
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