Angelique und der Koenig
werden, um die Vorzüge Eures gestrengen Hofgeistlichen preisen zu hören.«
Der König musste lachen.
»Kleine Teufelin!«
»Soliman Bachtiari Bey nennt mich Fuzul-Khanum.«
»Was heißt das?«
»Das gleiche. Und damit ist bewiesen, dass der König von Frankreich und der Botschafter des Schahs von Persien der gleichen Meinung sein können.«
»Davon reden wir später.«
Er streckte seine Hände aus.
»Bagatellchen, bezeigt Eurem Souverän Eure Ergebenheit.«
Lächelnd legte Angélique ihre Hände in die des Königs.
»Ich verpfände dem König von Frankreich, dessen Lehnsfrau und Vasallin ich bin, meine Treue.«
»So ist es recht. Nun kommt mit mir.«
Er nötigte sie aufzustehen und führte sie auf die andere Seite des Tischs. Eine große Landkarte lag dort ausgebreitet, die im Gitter der Breitengrade und Meridiane und zwischen den fliegenden Windgöttern, die in alle vier Himmelsrichtungen bliesen, einen langgestreckten blauen Fleck aufwies. Auf diesem Fleck standen in gestickten weißen und goldenen Buchstaben vier zauberische Worte geschrieben: »Mare nostrum – Mater nostra«, eine alte Bezeichnung, die die Geographen noch immer für das Mittelmeer, die Wiege der Zivilisation, gebrauchten: »Unser Meer – Unsere Mutter«.
Der König deutete mit dem Finger auf ein paar Stellen. »Hier Frankreich... da Malta. Da Kandia, das letzte Bollwerk des Christentums. Dann fallen wir der Macht der Türken anheim. Und seht, hier ist Persien, dieser Löwe auf der aufgehenden Sonne, zwischen dem Halbmond der Türkei und dem Tiger Asiens.«
»Hat Euer Majestät mich zu so später Stunde kommen lassen, um mit mir über Persien zu reden?«
»Wäre es Euch lieber, wir würden über etwas anderes reden?« fragte der König leise.
Über die Landkarte gebeugt, schüttelte Angélique den Kopf und vermied es, seinem Blick zu begegnen.
»Nein! Sprechen wir von Persien. Was für ein Interesse kann das Königreich Frankreich an diesem fernen Lande haben?«
»Ein Interesse, dessen Gegenstand Euch nicht gleichgültig ist, Madame: die Seide. Wisst Ihr, dass sie drei Viertel unserer Einfuhr ausmacht?«
»Das ist unglaublich. Brauchen wir denn so viel Seide in Frankreich? Wozu?«
Der König lachte schallend.
»Wozu? Das fragt mich eine Frau? Aber meine Liebe, glaubt Ihr, wir könnten unsere Brokate, unseren Atlas, unsere Strümpfe zu fünfundzwanzig Livres, unsere Bänder, unsere Messgewänder entbehren? Nein, eher würden wir aufs Brot verzichten. Die Franzosen sind nun einmal so. Ihr großes Geschäft sind weder Gewürze noch Öl, Getreide, Kurzwaren oder sonstige Dinge: es ist die Mode. Monsieur de Richelieu hat zu Zeiten meines Vaters versucht, eine gewisse Strenge der Kleidung vorzuschreiben. Ihr kennt das Resultat: Er hat nichts anderes erreicht, als dass der Preis der rar gewordenen und unter der Hand verkauften Stoffe stieg. Und eben diesem Übelstand soll durch einen neuen Handelsvertrag mit dem Schah von Persien Abhilfe geschaffen werden: die Franzosen brauchen Seide, aber sie ist zu teuer. Es ist ein ruinöses Geschäft.« Sorgenvoll zählte er auf: »Zoll an die Perser... Wegegeld an die Türken für den Durchgang der Ware... Provisionen an die verschiedenen Vermittler in Genua, Metz oder in der Provence... Wir müssen eine neue Lösung finden.«
»Erwägt nicht Monsieur Colbert, die kostspieligen Importe durch einheimische Fabrikation zu ersetzen? Er hat mir gegenüber davon gesprochen, dass er die Manufakturen von Lyon erweitern will.«
»Das ist ein Projekt auf lange Sicht. Die Maulbeerbäume, die auf meine Anweisung hin im Süden gepflanzt worden sind, werden erst in vielen Jahren ihren Zweck erfüllen.«
»Und sie werden auch keine der persischen gleichwertige Seide liefern. Es sind Bäume mit schwarzen Beeren, während in Persien die Seidenwürmer mit den Blättern weißbeeriger Maulbeerbäume gefüttert werden, die auf den Hochflächen wachsen.«
»Wer hat Euch so trefflich belehrt?«
»Seine Exzellenz Bachtiari Bey.«
Der König seufzte resigniert.
»Ich muss mich wohl den Vorstellungen Monsieur Colberts und Pater Josephs beugen. Ihr scheint tatsächlich der einzige Mensch zu sein, der fähig ist, mit dem Fürsten auszukommen und dieses Gewirr aus… Seide in Ordnung zu bringen.«
Sie schauten einander lachend an, wie durch stillschweigendes Einvernehmen verbundene Komplicen. Die Augen des Königs leuchteten auf.
»Angélique…«, sagte er mit verhaltener Stimme. Dann besann er sich eines anderen und fuhr in natürlichem
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