Angelique und der Koenig
Aufsicht über seinen Harem überträgt und die er zuweilen sogar an seinen Regierungssorgen teilnehmen lässt.«
»Und wenn mich nun Bachtiari Bey darauf verweist«, fragte der König bedenklich, »dass im Abendland die Königin der Sultanin – wie sagtet Ihr doch? – baschi entspricht?«
Savary genoss sichtlich die Überlegenheit des Wissenden. Er reckte sich auf wie ein Zwerghahn unter Genossen einer größeren, aber plumperen Rasse.
»Der Einwand Eurer Majestät ist durchaus berechtigt. Sie kann indessen beruhigt sein. Im Orient sieht sich ein Fürst genötigt, der dynastischen Erfordernisse wegen eine Prinzessin königlichen Geblüts zu ehelichen, die er für gewöhnlich nicht selbst erwählt hat. Das hindert ihn nicht, eine andere in den Rang der Favoritin zu erheben, und sie ist es, die tatsächlich alle Macht in den Händen hält.«
»Merkwürdige Sitten«, meinte der König. »Aber da Ihr versichert, dass uns keine andere Begründung zur Verfügung steht…«
Blieb nur noch, die Botschaft abzufassen. Savary wollte selbst den Text aufsetzen und las ihn nach getaner Arbeit vor:
»… Erbittet Euch darum jede andere Frau meines Landes«, schloss er. »Sie soll Euch gehören. Die jüngste, die schönste, die blondeste... wählt, was Euch behagt.«
»Halt, halt, gemach, Monsieur Savary!« rief der König aus. »Ihr verwickelt mich da in ein höchst sonderbares Handelsgeschäft.«
»Euer Majestät muss einsehen, dass sie sich eine Ablehnung nur erlauben kann, wenn sie gleichwertigen Ersatz demjenigen zur Verfügung stellt, den sie so grausam enttäuscht.«
»Meiner Treu, daran hatte ich nicht gedacht. Eure Argumente erscheinen mir begründet«, sagte der König belustigt.
Erleichtert stellte man fest, dass der König sein Kabinett mit entspanntem Gesicht verließ. Der Hof hatte sich bereits auf ernste politische Ereignisse gefasst gemacht: auf eine Kriegserklärung zum mindesten. Um die Neugierigen zufriedenzustellen, erzählte der König auf launige Art und ohne Angéliques Namen zu nennen von den letzten Forderungen des orientalischen Fürsten. Von der Schönheit der französischen Frauen verführt, wünschte er, ein liebenswertes Andenken aus Fleisch und Knochen mitzunehmen. »Vor allem aus Fleisch«, bemerkte Brienne, hoch entzückt über seine witzige Bemerkung.
»Die Schwierigkeit liegt in der Wahl dieses Andenkens«, fuhr der König fort. »Ich habe große Lust, Monsieur de Lauzun mit dieser delikaten ›Aushebung‹ zu betrauen. Er ist Experte auf diesem Gebiet.«
Péguillin verneigte sich spöttisch.
»Nichts leichter als das, Sire. Unserem Hof fehlt es nicht an liebenswerten Dirnen.«
Mit dem Zeigefinder hob er Madame de Montespans Kinn.
»Wie wär’s mit der hier? Sie hat bereits bewiesen, dass sie den Fürsten gefällt…«
»Unverschämter!« zischte die Marquise und schlug ihm wütend die Hand herunter.
»Nun, dann vielleicht jene dort«, fuhr Péguillin ungerührt fort, auf die Fürstin von Monaco deutend, die einmal seine Mätresse gewesen war.
»Sie erscheint mir geeignet. Es mag das einzige Glück sein, dem sie noch nicht nachgejagt ist. Vom Pagen bis zum König ist ihr alles recht... sogar die Frauen.«
Unwillig mischte sich der König ein: »Etwas mehr Dezenz, Monsieur, in Euren Worten!«
»Wozu Dezenz in den Worten, Sire, wenn die Handlungen sie vermissen lassen?«
In einem Getöse von Peitschenknallen, Räderknarren und Gewieher sammelten sich die Kutschen im Hof. Versailles schloss für ein paar Tage seine vergoldeten Gittertore und hohen Fenster. Der Hof begab sich nach Saint-Germain.
Meister Savary drückte beglückt die dicke Geldbörse ans Herz, die Monsieur de Gesvres ihm im Auftrag des Königs überreicht hatte. »Das kommt meinen wissenschaftlichen Experimenten zustatten. Was haben wir doch für einen großen König! Wie gut weiß er, Verdienste zu belohnen!«
Im Vorbeifahren schob Monsieur de Lionne den Kopf aus dem Fenster seiner Kutsche heraus:
»Ihr könnt Euch rühmen, mir eine wunderliche Aufgabe verschafft zu haben! Mich nämlich hat der König beauftragt, den... Ersatz für den persischen Botschafter auszuwählen. Was wird nur meine Frau dazu sagen! Nun, ich habe eine sehr intelligente, ehrgeizige kleine Schauspielerin aus der Truppe Monsieur Molières im Auge... Ich glaube, ich werde sie überreden können.«
»Ende gut, alles gut«, schloss Angélique mit einem müden Lächeln. Sie hatte größte Mühe, ihre Augen offenzuhalten. Seit genau vierundzwanzig Stunden war sie
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