Angelique und der Koenig
König hat mich Euch nachgeschickt. Ich habe mich bei Passanten erkundigt, und so ist es mir geglückt, Euch hier aufzufinden.«
Er händigte ihr eine Botschaft aus, in der sie aufgefordert wurde, sich umgehend nach Versailles zu begeben.
»Hat das denn nicht bis morgen Zeit?«
»Der König hat mir persönlich aufgetragen, Euch umgehend nach Versailles zu geleiten, einerlei, zu welcher Stunde.«
»Die Porte Saint-Honoré wird geschlossen sein!«
»Mein Geleitbrief wird sie uns öffnen.«
»Wir setzen uns der Gefahr aus, von Räubern überfallen zu werden.«
»Ich bin bewaffnet«, sagte der Mann. »Ich habe zwei Pistolen in meiner Satteltasche und meinen Degen.«
Es war ein Befehl des Königs. Angélique konnte sich ihm nicht entziehen, und so machte sie sich in Begleitung des Boten auf den Weg. Der Morgen begann eben zu dämmern, als sie in Versailles anlangten. Fröstelnd durchquerte Angélique die langen, verlassenen Flure, in denen da und dort Schweizerwachen dösten, regungslos wie Statuen.
Im Kabinett des Königs indessen war eine Reihe von Männern um den Monarchen versammelt, deren übernächtige und verdrossene Gesichter ebenso wie die in den Leuchtern fast schon heruntergebrannten Kerzen von einer langen Sitzung zeugten.
Als die junge Frau hereingeführt wurde, verstummte das noch immer hitzig geführte Gespräch. Der König forderte sie auf, sich zu setzen. Das Schweigen dauerte an. Um sich zu sammeln, befasste sich der König mit dem vor ihm liegenden Brief.
Endlich sagte er: »Die Angelegenheit der persischen Gesandtschaft hat einen überraschenden Abschluss gefunden, Madame. Bachtiari Bey ist gen Süden aufgebrochen, aber er schickt mir eine eilige Mitteilung, die Euch betrifft, und... Hier, lest selbst.«
In der vermutlich von dem Armenier Agobian übersetzten und in kunstvollen Schriftzügen ausgefertigten Botschaft dankte der Gesandte dem großen abendländischen Monarchen noch einmal für die ihm erwiesene Prachtentfaltung und Güte. Daran schloss sich eine genaue Aufzählung der Geschenke Seiner Majestät König Ludwigs XIV für den Schahinschah, die mit der überraschenden Bemerkung endete, dass Seine Majestät es trotz so bewiesener Großzügigkeit leider unterlassen habe, diesen Geschenken den höchst kostbaren Türkis hinzuzufügen, den Seine Exzellenz als persönliche Belohnung für ihre loyalen Dienste erwartete. Es folgte eine hinreichend detaillierte Beschreibung des besagten Türkis, um zu erkennen, dass es sich um eine Frau handelte und dass diese Frau keine andere als Angélique sein konnte. Bachtiari Bey habe sich in dem Glauben befunden, die abendländischen Bräuche erlaubten ihm nicht, über einen so kostbaren Schatz zu verfügen, bevor er selbst dessen Besitzer seine guten Absichten bewiesen habe. Er wundere sich indessen, dass die »höchst zartsinnige Marquise«, »die klügste Frau der Welt«, »die Lilie von Versailles«, »der Stern des französischen Hofs« sich nicht unter den letzten Geschenken befinde, die Monsieur de Lorraine und der Marquis de Torcy ihm im Augenblick seiner Abreise überreicht hätten, da die Verträge doch zur Zufriedenheit aller und des Königs von Frankreich im besonderen unterzeichnet seien. Er sei schließlich in der Annahme aufgebrochen, sie werde aus Scheu erst in der Dunkelheit mit ihrer Kutsche und ihren Gepäckwagen zu ihm stoßen. Doch bei der ersten Etappe sei der Verdacht in ihm aufgekeimt, dass man ihn habe täuschen wollen. Ob man etwa mit ihm das gleiche Spiel getrieben habe wie mit dem Esel, dem man eine Rübe vor die Nase halte, um sie verschwinden zu lassen, sobald er die Brücke überschritten habe? Ob der abendländische Monarch doppelzüngig sei? Ob man den Verträgen und Versprechungen etwa ebenso misstrauen müsse? Und in diesem Ton ging es weiter. Die lange Reihe von Fragen ließ keinen Zweifel an dem Ingrimm des jähzornigen Fürsten zu, und die Drohungen, alles rückgängig zu machen, die Franzosen und Christen nach seiner Rückkehr bei seinem Herrn anzuschwärzen, waren hinter mancherlei diplomatischen Floskeln nur notdürftig verhüllt.
»Nun, und?« fragte Angélique, nachdem sie zum Ende gekommen war.
»Nun, und?« wiederholte der König vorwurfsvoll.
»Vielleicht seid Ihr so freundlich, mir zu sagen, was für ein schamloses Benehmen Ihr in Suresnes an den Tag gelegt habt, dass man uns mit einer so unerhörten Drohung kommt?«
»Mein Benehmen, Sire, war das einer Frau, die man beauftragt, einen Potentaten zu besänftigen, um
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