Angelique und der Koenig
von Paris zu erkennen. Wie der König es ihr in Aussicht gestellt hatte, ließ Madame durch ihren Haushofmeister Madame du Plessis bitten, bis zum nächsten Tage in Saint-Cloud zu bleiben. Die junge Frau ging nicht eben begeistert darauf ein. Die Atmosphäre des Hofs von Monsieur war, trotz allen Charmes und Luxus allzu anrüchig und beunruhigend. Der Prinz umgab sich mit Freundinnen, die ebenso salonfähig waren wie seine »mignons«. Ihre Intrigen und ewigen Streitigkeiten belustigten ihn, der sich auf alle Klatschgeschichten mit der Neugier eines Portiers stürzte. Es fehlte ihm nicht an Intelligenz, und er hatte bei den Feldzügen Mut bewiesen, aber er war schon zu verdorben, um sich noch aus dem Netz von Lastern, schrankenlosem Egoismus und Nichtigkeiten befreien zu können.
Angélique sah sich nach Monsieurs bösem Schatten um, dem Prinzen von Sodom, »schön, wie man die Engel malt«, jenem Chevalier de Lorraine, der seit Jahren seine Stellung als Favorit behauptete und der eigentliche Herr des Palais-Royal und des Schlosses von Saint-Cloud geworden war. Sie wunderte sich, ihn nicht zu sehen, und erkundigte sich bei Madame de Gordon Huxley nach ihm, einer sympathischen Schottin, die zum Gefolge Madames gehörte.
»Was, Ihr wisst nicht?« rief diese aus. »Wo wart Ihr denn? Monsieur de Lorraine ist neuerdings in Ungnade. Er hat erst ein Weilchen im Gefängnis gesessen, dann wurde er nach Rom in die Verbannung geschickt. Das bedeutet einen großen Sieg für Madame. Seit Jahren bemüht sie sich vergeblich, mit ihrem schlimmsten Feind fertig zu werden. Endlich hat ihr nun der König Gehör geschenkt.«
Angélique konnte lange nicht einschlafen; die Ohren summten ihr von all den anstößigen Geschichten, die man ihr zugeraunt hatte. Sie sorgte sich um Florimond und hatte das beklemmende Gefühl, sich in einem Netz von Drohungen zu befinden, das sich immer dichter um sie schloss. Im Morgengrauen wurde sie durch leichtes Klopfen an der Tür wach. Sie öffnete und stand Madame gegenüber. In einem weiten Gazeschleier gehüllt, lächelte die Prinzessin ihr zu.
»Euch suche ich, Madame du Plessis. Wollt Ihr mich auf meinem Spaziergang begleiten?«
»Ich stehe Euer Hoheit zu Diensten«, erwiderte Angélique mit einer Reverenz. Sie stiegen die Treppen des stillen Palastes hinab, dem die Gestalten der auf ihre Hellebarden gestützten, reglos vor sich hindösenden Wachen den Charakter einer Dornröschenschlosses verliehen.
Über dem taufeuchten Park begann es zu tagen. Aus dem Baumkronen steigende Nebelschleier verhüllten Paris in der Ferne. Es war empfindlich kühl. Zum Glück hatte Angélique ihren bequemen Mantel, das Geschenk des Königs, umgetan.
»Ich liebe es, zu früher Stunde spazierenzugehen«, sagte die Prinzessin, indem sie mit lebhaftem Schritt in eine Allee einbog. »Ich schlafe sehr wenig. Ich habe die ganze Nacht gelesen, und danach erschien es mir sträflich, noch die Augen zuzutun, denn der Morgen dämmerte bereits.«
Sie ließen sich auf der Marmorbank eines Rondells nieder. Die Prinzessin hatte sich seit der Zeit, da Angélique an ihrem Spielzirkel im Louvre teilgenommen hatte, kaum verändert. Klein, von elfenhafter Zierlichkeit und mit zartem, rosigem Teint begabt, wirkte sie edler als die Bourbonen und Habsburger ihrer Familie. Unverhohlen verachtete sie deren derben Appetit, ihre Unwissenheit und Plumpheit. Freilich aß sie selbst wie ein Vögelchen, schlief noch weniger, und ihr Interesse für Literatur und Kunst war nicht geheuchelt. Sie hatte als erste Molière gefördert und begann den empfindsamen Racine zu patronisieren.
Obwohl Angélique die kluge Prinzessin bewunderte, war sie ihr immer fremd geblieben. Neben ihr kam sie sich fast schwerfällig vor. Madame hatte sich die Einsamkeit, in der sie lebte, zwar selbst geschaffen, aber sie litt dennoch unter ihr. Der stille, verlorene Ausdruck ihrer blauen Augen zeugte davon.
»Madame«, fuhr die Prinzessin nach kurzem Schweigen entschlossen fort, »ich wende mich an Euch, weil Ihr im Ruf steht, eine reiche, hilfsbereite und verschwiegene Frau zu sein. Könntet Ihr mir viertausend Pistolen leihen?«
Angélique hatte Mühe, Ihr Erstaunen zu verbergen.
»Ich brauche diese Summe, um meine Reise nach England vorzubereiten«, erklärte Prinzessin Henriette. »Nun, ich stecke bis über die Ohren in Schulden, habe bereits einen Teil meines Schmucks versetzt, und es ist nutzlos, den König um Hilfe anzugehen, obwohl ich mich um seinetwillen nach England
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