Angelique und der Koenig
letzte, bei der ich ihn hätte sehen mögen. Jedermann kennt die verwerflichen Neigungen des Prinzen und seiner Umgebung. Ein so hübscher und lebhafter Junge wie Florimond ist in diesem Kreise gefährdet.«
»Das ist nur zu wahr, Madame«, sagte der Abbé, der aufgestanden war und sich verstohlen die Knie abstaubte. »Ich musste mich bereits mit Antoine Maurel, Sieur de Volone, duellieren. Er ist der größte Schurke der ganzen Gesellschaft. Er stiehlt, flucht, er ist Atheist und Sodomit, er verkauft Knaben wie Pferde und geht ins Parterre der Oper, um seine traurigen Geschäfte zu machen. Er hat ein Auge auf Florimond geworfen und will ihn verderben. Ich bin dazwischengetreten. Im Duell verletzte ich ihn am Arm, worauf er die Partie aufgab. Ich habe mich auch mit dem Grafen Beuvron und dem Marquis d’Effiat duelliert. Seither habe ich überall austrompetet, der Junge stehe unter dem Schutz des Königs, und ich würde mich bei Seiner Majestät beschweren, wenn ihm auch nur der geringste Schaden zugefügt werde. Man weiß, dass Ihr seine Mutter seid und dass Euer Einfluss beim König nicht gering ist. Schließlich habe ich erreicht, dass er zum Spielkameraden der kleinen Prinzessinnen bestimmt wurde. Da ist er vor dieser absonderlichen Gesellschaft einigermaßen sicher. O Madame, man muss seine Augen und Ohren an so manche Dinge gewöhnen! Beim Lever von Monsieur spricht man über junge Leute wie Verliebte über Mädchen. Aber das schlimmste sind die Frauen, denn mit ihnen kann man sich nicht einmal duellieren. Die Damen de Blanzac, d’Espinoy de Melun, de Grancey verfolgen mich in den Schlaf wie die hundertköpfige Hydra. Ich weiß nicht, wie ich sie loswerden soll.«
»Ihr wollt doch nicht etwa sagen, dass sie hinter Florimond her sind?«
»Nein, ich selbst bin der Gegenstand ihrer Annäherungsversuche.«
»Oh, mein armer Kleiner!« rief Angélique halb bekümmert, halb belustigt aus. »Was habt Ihr Euch alles auf den Hals geladen!«
»Macht Euch um mich keine Sorgen, Madame. Es ist mir klar, dass Florimond Karriere machen muss, und das kann er nur in der Umgebung der Großen. Ich bemühe mich, seinen Geist und sein Herz zu stärken, um ihn vor der schlimmsten Verderbnis zu bewahren. Man vermag alles, wenn die Seele gefestigt ist und wenn man Gott um Beistand bittet. Und ich meine, hierin liegt der eigentliche Sinn meiner Erzieherrolle beschlossen. Ist es nicht so?«
»Gewiss, aber Ihr hättet eben von Anfang an die Übersiedlung nach Saint-Cloud nicht zulassen sollen.«
»Ich konnte mich der Entscheidung des Königs nicht widersetzen, Madame. Und mir schien, er wäre hier weniger gefährdet als in Versailles.«
»Was wollt Ihr damit sagen?«
Der Abbé näherte sich ihr, nachdem er sich ängstlich umgeschaut hatte.
»Ich bin überzeugt, Duchesne wird ihm etwas antun, aus Furcht, er könnte noch mehr ausplaudern.«
»Ich will nichts mehr hören, Herr Abbé. Ihr seid nicht bei Verstand, wenn Ihr Euch von diesen albernen Geschichten beeinflussen lasst. Monsieur Duchesne steht im Ruf eines Ehrenmanns, und an die Wichtigkeit Junker Florimonds, des letzten Pagen im Tafeldienst Seiner Majestät, vermag ich vorläufig nicht zu glauben. Es ist lächerlich.«
»Eines Pagen, der Euer Sohn ist, Madame. Wisst Ihr denn nicht, dass Ihr viele Feinde habt? Ich beschwöre Euch, verschließt nicht willentlich die Augen vor beängstigenden Tatsachen. Auch Euch sucht man in den dunklen Brunnen zu stoßen. Setzt Euch mit allen Mitteln zur Wehr. Ich stürbe vor Kummer, wenn Euch ein Unglück widerführe.«
»Es mangelt Euch nicht an Beredsamkeit, mein kleiner Abbé«, sagte Angélique in freundlichem Ton.
»Ich muss mit Monsieur Bossuet über Euch sprechen. Ein bisschen Überspanntheit ist der Kunst der frommen Rede nicht abträglich. Ich bin überzeugt, Ihr werdet es zu etwas bringen, und ich will Euch dabei nach Kräften behilflich sein.«
»O Madame, Ihr lasst Euch vom grausamen Zynismus des Hofs anstecken!«
»Ich bin nicht zynisch, mein Kleiner. Aber ich möchte, dass Ihr mit beiden Beinen auf der Erde steht.«
Der Abbé de Lesdiguières setzte zu neuerlicher Widerrede an, aber es kam jemand in den Empfangsraum, in dem sie sich befanden, und unterbrach ihre Unterhaltung. Er verneigte sich und ging hinaus, um sich auf die Suche nach seinem Zögling zu machen.
Angélique kehrte in die Salons zurück. Die Türen zu den Terrassen waren weit geöffnet worden, um die milde Luft hereinströmen zu lassen. In der Ferne war die Silhouette
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