Angelique und der Koenig
konnte. Nun tu das deinige. Du hast die Hilfe der Polizei zurückgewiesen, und es ist besser so. Du willst nicht, dass ich meine lange Nase in deine Angelegenheiten stecke, und vielleicht hast du recht. Nur, zum Freund Desgray laufen, wenn’s brennt, das ist nun vorbei. Verstanden?«
Sie sah zu ihm auf und las in seinen dunklen Augen das Geständnis, das dieser hart gewordene, gute Mann ihr nie machen würde. Sie nickte, ein wenig bleich geworden.
»Mein Weg ist mir vorgezeichnet, und ich brauche einen kühlen Kopf, um ihn gehen zu können«, fuhr Desgray fort. »Du würdest mich zu Torheiten verleiten. Ich will dich nicht mehr sehen. Wenn du eines Tages der Polizei Enthüllungen zu machen hast, wende dich an Monsieur de La Reynie. Er ist befähigter als ich, die großen Damen des Hofs zu empfangen.«
Er neigte sich über sie, bog ihren Kopf zurück und drückte einen brutalen Kuss auf ihre Lippen.
»Jetzt ist es tatsächlich aus. Verstanden?« dachte sie. »Adieu, Galgenvogel, Adieu, mein Freund!«
Allein weitergehen oder sterben – das war die Alternative. Indessen sollten die Ratschläge, die sie empfangen hatte, nicht in den Wind gesprochen sein.
Der Zufall kam ihr gleich am nächsten Tag zu Hilfe, als sie in der Kutsche von Paris nach Saint-Germain fuhr. Eine Droschke war in den Graben gestürzt, und beim Näherkommen erkannte Angélique in der jungen Frau, die ungeduldig auf der mit Ginster bewachsenen Böschung wartete, eine der Damen des Gefolges der Montespan, Mademoiselle Désoeillet.
Sie ließ halten und winkte sie freundlich heran.
»Ach, Madame, ich befinde mich in größter Verlegenheit«, rief das junge Mädchen aus. »Madame de Montespan hat mich zu einer dringenden Erledigung weggeschickt, bei der ich mich nicht verspäten darf, und nun liege ich hier schon eine halbe Stunde fest. Dieser dumme Kutscher hat einen großen Stein mitten auf der Straße übersehen.«
»Ihr wolltet nach Paris?«
»Ja... das heißt, die halbe Strecke. Ich habe an der Straßenkreuzung des Bois-Sec eine Verabredung mit einer Person, die mir eine Botschaft für Madame de Montespan aushändigen soll. Und wenn ich mich zu sehr verspäte, ist diese Person womöglich nicht mehr dort. Madame de Montespan wäre furchtbar ungehalten.«
»So steigt ein. Ich werde die Kutsche wenden lassen.«
»Madame, Ihr seid zu gütig.«
»Ich kann Euch nicht hier stehenlassen, und ich erweise Athénaïs gern einen Gefallen.«
Mademoiselle Désoeillet raffte ihre Röcke und setzte sich respektvoll auf den äußersten Rand der Bank. Sie schien verwirrt und unruhig. Sie war ein ausgesprochen hübsches Mädchen und besaß jene gewisse Keckheit, die Madame de Montespan ihrer Umgebung mitzuteilen wusste. Ihre Damen konnte man an ihrer gewählten Sprache, ihrem Geist und ihrem Geschmack erkennen. Sie machte Frauen von Welt nach ihrer Vorstellung aus ihnen, gewandt, intrigant und skrupellos.
Angélique beobachtete Mademoiselle Désoeillet verstohlen. Sie hatte schon früher mit dem Gedanken gespielt, sich gerade mit diesem Mädchen zu verbünden, dessen Schwäche sie erkannt hatte. Sie war eine leidenschaftliche Spielerin, und sie spielte falsch. Allerdings musste man ein geübtes Auge haben, um ihr auf die Schliche zu kommen. Angélique hatte einst von ihren Bekannten vom Hof der Wunder gewisse in den Spielhöllen gebräuchliche Kniffe gelernt und ihren Blick für ihre Anwendung geschärft.
»Hier ist es«, sagte das Mädchen und presste die Nase an die Fensterscheibe. »Gott sei Dank! Die Kleine ist noch da.«
Sie ließ das Fenster herunter, während Angélique dem Kutscher zu halten gebot. Ein Mädelchen von etwa zwölf Jahren, das am Waldsaum gewartet hatte, näherte sich eilig der Kutsche und reichte Mademoiselle Désoeillet ein Päckchen. Eine Weile verhandelte sie flüsternd mit der Kleinen und übergab ihr schließlich eine Geldbörse, zwischen deren Maschen Goldstücke glänzten. Angéliques erfahrenes Auge rechnete aus, welche Summe sie enthalten mochte. Das Ergebnis veranlasste sie, die Stirn zu runzeln.
»Was mag dieses Päckchen enthalten, dass es einen so hohen Preis wert ist?« fragte sie sich, während sie den Gegenstand verstohlen betrachtete, den Mademoiselle Désoeillet in ihrem Beutel barg. Sie glaubte, ein Fläschchen zu erkennen.
»Wir können weiterfahren, Madame«, sagte das Mädchen sichtlich erleichtert, dass sie ihren Auftrag glücklich ausgeführt hatte. Während die Kutsche auf dem Wegekreuz wendete, sah Angélique
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