Angelique und der Koenig
Menge über die Vielfältigkeit der amourösen Abenteuer des Polizisten Desgray aussagten, immerhin den Frauen das beruhigende Gefühl verliehen, in den Händen eines Mannes zu sein, der sich darauf verstand. Kaum hatte sie sich zu fragen begonnen, ob sie ihn gewähren lassen solle, als sie sich auch schon halbnackt zwischen seinen Armen fand. Ein Spiegel an der Wand strahlte das Bild ihres weißen Körpers zurück, der aus dem Wall von blauem Samt und Spitzen auftauchte, den die heruntergestreiften Kleidungsstücke zu ihren Füßen bildeten. »Und hier ist die Schöne von damals!«
»Bin ich denn immer noch schön, Desgray?«
»Noch schöner, zu meinem Unglück. Aber dein kleines Näschen ist kalt, deine Augen sind traurig, dein Mund ist hart. Man hat ihn nicht genügend geküsst.«
Er nahm zu einem raschen Kuss von ihren Lippen Besitz. Er ging nicht brutal mit ihr um, weil er spürte, dass sie zerbrochen war, der Liebe entwöhnt durch ihre quälenden Ängste. Doch je mehr sie sich beruhigte, desto kühner wurden seine Liebkosungen, und er musste lachen, als er das zaghafte Lächeln sah, das sich auf ihrem blassen, eben noch so trostlosen Gesicht abzuzeichnen begann. Unter den schmeichelnden Bewegungen seiner Hand drängte sie sich dichter an ihn heran und schmiegte sich sanft an seine Schulter.
»Nicht mehr so stolz wie vorhin, Marquise, hm? Was bleibt, wenn die prächtigen Hüllen gefallen sind? Eine kleine Katze mit glänzenden grünen Augen, die fordern. Eine an der Tafel des Königs gefütterte rundliche kleine Wachtel... Früher warst du magerer. Man spürte die Knochen unter deiner Haut... Jetzt bist du hübsch gepolstert. Kleine Wachtel! Täubchen! Girre ein wenig. Du möchtest es doch so gerne.«
Desgray war noch ganz der alte. Sein korrekter Aufzug verbarg dasselbe Herz, dieselbe kräftige Brust wie einstmals sein schäbiger Kittel. Es waren dieselben gebieterischen, bedachten Hände, derselbe ein wenig spöttische Raubvogelblick, der auf ihre Übergabe lauerte, sich über ihre Ungeduld, ihr Liebesverlangen, die gestammelten Geständnisse amüsierte, über die sie später erröten würde. Endlich trug er sie zum Alkoven im Hintergrund des Raumes, fern den Leuchtern, und sie genoss das Dunkel, in das er sie hüllte, die Kühle des Bettes, die Anonymität des männlichen Körpers, der sich zu ihr gesellte. Tastend begegnete sie seiner behaarten Brust, sie entdeckte von neuem einen vergessenen Geruch, und in dem Rausch, der sie überkam, erinnerte sie sich, dass Desgray der einzige Liebhaber war, der sie nicht geschont hatte, und sie spürte, dass er es auch in dieser Nacht nicht tun würde. Sie wehrte sich nicht. Seltsam, dieser Mann, der sie zuweilen eingeschüchtert und gereizt hatte – als Liebhaber flößte er ihr unbegrenztes Vertrauen ein. Bei ihm fühlte sie sich geborgen. Er allein beherrschte die Kunst, der Liebe und den Frauen ihren Platz zuzuweisen. Einen guten Platz, wo seine weder geringschätzig behandelten noch vergötterten Mätressen sich als frohe Gefährtinnen jener heidnischen Sinnesfreuden fühlten, die das Blut erhitzen und den Kopf leicht machen. Sie überließ sich widerstandslos der Woge der Sinnlichkeit, die sie mitriss. Bei Desgray konnte man es sich erlauben, vulgär zu sein. Man konnte schreien, delirieren, sinnlos lachen oder weinen. Er kannte alle Mittel, Begierde und Wollust einer Frau zu wecken und zu steigern. Er verstand es, abwechselnd zu fordern oder zu ermuntern. In seiner Gewalt verlor Angélique jedes Zeitgefühl, Er gab sie erst frei, als sie erschöpft war, flehend und trunken zugleich, ein wenig bedauernd, ein wenig verschämt, und im tiefsten Grunde verwundert über ihr eigenes Vermögen.
»Desgray! Desgray!« wiederholte sie mit verhaltener, heiserer Stimme, die ihn rührte. »Ich kann nicht mehr... Oh, wieviel Uhr ist es?«
»Bestimmt sehr spät.«
»Ich muss gehen.«
»Nein. Du musst schlafen.«
Er presste sie an sich, denn er wusste, dass ein kurzer Schlaf die letzten Spuren ihrer Angst beseitigen würde.
»Schlaf, schlaf! Du bist sehr schön! Du verstehst dich auf alles; auf die Liebe und darauf, die Polizisten zum besten zu haben... Du hast den König von Frankreich zu deinen Füßen... und das Leben vor dir. Du weißt sehr wohl, dass dich etwas erwartet, dort, auf dem Grunde des Lebens. Du wirst nicht darauf verzichten. Du weißt genau, dass du die stärkere bist…«
Er murmelte weiter und hörte die leichten und regelmäßigen Atemzüge des tiefen
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