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Angelique und der Koenig

Angelique und der Koenig

Titel: Angelique und der Koenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Golon
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Paris. Hier gibt’s was Feines, Brüder. Auf zur Traubenlese!«
Als er ihre Wange streifte, um die Ohrgehänge zu lösen, roch sie den Tabakgeruch seiner kräftigen Hände. Ihre langen Wimpern, die sie gesenkt hielt, bebten. Sie sah auf und gewahrte dicht vor sich den brennenden Blick des Polizisten Desgray, der sich an der unter Asche noch schwelenden Glut der Vergangenheit entzündete und sie zu jenem Herbsttag zurückversetzte, an dem er sie in dem kleinen Hause auf der Brücke von Notre-Dame auf so wunderliche Weise der Verzweiflung entrissen und ihre Hoffnung neu gestärkt hatte. Die warmen, ein wenig großen männlichen Hände strichen sanft über ihre bloßen Schultern.
»So! Man fühlt sich leichter, wie?«
Angélique erschauerte wie ein Tier, das jäh aus langer Regungslosigkeit erwacht. Die Hände verstärkten ihren Druck.
»Ich kann nichts tun, um Euch zu beschützen«, sagte Desgray mit leiser, rauher Stimme, »aber ich will wenigstens versuchen, Euch neuen Mut einzuflößen. Und ich glaube, ich bin der einzige auf der Welt, der dazu imstande ist. Das ist meine Spezialität, wenn ich mich recht erinnere.«
»Wozu!« wiederholte sie müde. Sie war erschöpft, und alles flößte ihr Angst ein.
»Früher waren wir Freunde. Jetzt kenne ich Euch nicht mehr, und Ihr kennt mich nicht mehr.«
»Man kann sich von neuem kennenlernen.«
Er hob sie hoch, ließ sich in einem Sessel nieder und setzte sie in der entfalteten Blumenkrone ihrer schweren Röcke wie eine Puppe auf seine Knie. Der unbestimmbare, schwimmende Ausdruck ihrer Augen machte ihn krank. »Welche Wirrnis!« dachte er. Und gleichwohl war sie da, hinter dem Gitter der verlorenen Jahre, und er würde sie wiederfinden. Wiederfinden hinter jenen verlorenen Jahren, die nie hätten abreißen dürfen. Warum war sie wiedergekommen? Er rief sie an, in einem drängenden, uneingestandenen Gefühl, das sein Herz schwellen ließ.
»Mein Kleines!«
Sein Ruf weckte Angélique von neuem, und sie bog den Kopf zurück, um dieses Gesicht zu betrachten. Desgray huldigte der Zärtlichkeit? Desgray streckte die Waffen? Undenkbar! Seine dunklen, leuchtenden Augen waren den ihren ganz nah.
»Eine einzige Stunde«, flüsterte er, »für eine einzige Frau, in einem einzigen Leben, kannst du dir das leisten, Polizist? Eine einzige Stunde lang schwach und töricht zu sein!«
»O ja!« sagte sie plötzlich mit naiver Freude. »O ja, tut es, bitte!« Sie schlang die Arme um seinen Hals, lehnte ihre Wange an die seine. »Wie gut das ist, bei Euch zu sein, Desgray! O wie gut!«
»Sie sind spärlich gesät, die Dirnen, die mir diesen Vers vorgesungen haben«, brummte Desgray. »Wären lieber anderswo gewesen. Aber du, du bist nie wie die andern gewesen!«
Immer wieder suchte er die Berührung mit ihrer warmen Wange und sog mit geschlossenen Augen den erregenden Duft ein, der ihrer Haut und dem Ausschnitt des Mieders entströmte.
»Ihr habt mich also nicht vergessen, Desgray?«
»Wie könnte man Euch vergessen?«
»Ihr habt gelernt, mich zu verachten…«
»Mag sein. Und wenn’s so wäre, was ändert es schon? Immer bist du’s, die da ist, Marquise der Engel, unter der Seide, unter dem Atlas, unter dem goldenen und diamantenen Zeug.«
Sie warf den Kopf zurück, als habe sie aufs neue ihre Ketten verspürt. Ihr Missbehagen wich nicht, und sie atmete schwer, bedrückt durch eine Last, die vielleicht nur die der verdrängten Tränen war. Sie griff nach ihrem steifen Mieder und seufzte.
»Das Kleid drückt auch.«
»Wir werden es ausziehen«, sagte Desgray beruhigend. Die sie umfangenden Arme schlossen sie in einen Kreis der Geborgenheit ein. Der Alpdruck schwand. In diesem Augenblick konnte nichts ihr etwas anhaben.
»Du musst aufhören, dich zu ängstigen«, murmelte er. »Die Angst fordert die Niederlage heraus, du bist genauso stark wie die andern. Du vermagst alles. Was kann dir, die du den Großen Coesre umgebracht hast, noch Angst einflößen? Meinst du nicht, es wäre schade, ›ihnen‹ die Partie zu überlassen? Sind ›sie‹ das wert? Bei Gott, ich kann’s mir nicht denken. Luder in Spitzen, das sind sie, und du weißt es genau. Feinden dieser Art liefert man sich nicht aus.«
Er sprach ganz leise auf sie ein wie auf ein Kind, dem man Vernunft beibringt, indem er sie mit einer Hand festhielt, während er mit der andern kunstgerecht die Nadeln ihres Brusteinsatzes und die Bänder ihrer Röcke löste. Sie erkannte seine sicheren Zofenbewegungen wieder, die, wenn sie auch eine

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