Angelique und der Koenig
besitze ich auch Euer Herz.«
Leise fuhr er fort: »Ach, ich sehne mich danach, die Geheimnisse Eures Körpers zu ergründen.«
Angélique zitterte. Sie fühlte sich vom Taumel des Verlangens erfasst. Doch noch wehrte sie sich.
»Wenn Ihr mir erst gehört«, murmelte der König, »werdet Ihr mich nicht mehr verlassen, denn Ihr und ich, wir sind dazu geschaffen, uns zu vereinen und über die Welt zu herrschen.«
»Madame de Montespan hegt eine ähnliche Gewissheit«, bemerkte Angélique mit müdem Lächeln.
»Madame de Montespan! Was bildet sie sich ein? Dass sie mich beherrscht? Glaubt sie, dass ich blind sei? Dass ich ihr schlechtes Herz nicht kenne, ihre Portiersintrigen, ihren maßlosen, lästigen Ehrgeiz? Ich nehme sie als das, was sie ist: schön... und gelegentlich amüsant. Ist es ihre Gegenwart, die Euch ängstigt? Ihr sollt wissen, dass ich diejenigen hinwegfegen werde, die Euch unerwünscht sind. Wenn Ihr mich heute bittet, Madame de Montespan zu entfernen, wird sie morgen Versailles verlassen haben.«
Angélique gab sich den Anschein, als nehme sie seine Worte als Scherz.
»Sire, sogar ein solcher Machtexzess erschreckt mich.«
»Das soll er nicht. Ich übergebe Euch mein Zepter. Ich weiß, dass es in würdigen Händen ist. Seht, es ist Euch wiederum gelungen, meine Festigkeit in eine andere Richtung zu lenken, und von neuem stelle ich es Eurer Vernunft anheim, selbst die Stunde zu bestimmen, in der Ihr Euch meiner erbarmt. Ich will es der Zeit überlassen, Eure Besorgnisse über mich zu beschwichtigen. Gleichwohl, glaubt Ihr nicht, wir würden uns vertragen?« Sein Ton war demütig geworden, während er ihre Hände in den seinen hielt.
»Ja, ich glaube es, Sire.«
»So werdet Ihr mich Euch eines Tages gen Kythera, der Insel der Liebe, führen lassen... Eines Tages… versprecht es mir.«
Von seinen Küssen besiegt, hauchte sie: »Ich verspreche…«
Eines Tages würde sie vor ihm niederknien und zu ihm sagen: »Hier bin ich…« Und sie würde ihre Stirn auf seine königlichen Hände legen. Sie wusste, dass sie auf schicksalhafte Weise diesem Augenblick entgegenging, und nun, da sie die Gefahren aus dem Weg geräumt hatte, die ihr Leben bedrohten, lastete diese Liebeserwartung auf ihr und erfüllte sie abwechselnd mit einem Gefühl des Grausens und des Triumphs.
Würde es morgen, würde es später sein? Von ihr hing die Antwort ab, und dennoch wartete sie ab, dem Schicksal die Entscheidung überlassend. Und das Schicksal erklärte sich. Ein schreckliches Ereignis, das den Hof von Frankreich in Trauer versetzte und die Welt erschütterte, sollte Angéliques Unterwerfung beschleunigen.
Sie hatte drei Tage in Paris verbracht, um mit Monsieur Colbert über Geschäfte zu verhandeln, und da sie sich an diesem Abend besonders lange bei dem Minister aufgehalten hatte, beeilte sie sich, nach Hause zu kommen.
Vor dem Hôtel du Beautreillis gewahrte sie die Gestalt eines Bettlers im bläulichen Dunkel der mondlosen Juninacht. Als er auf den Kutschenschlag zuhumpelte, erkannte sie Pain-Sec.
»Geh nach Saint-Cloud! Geh nach Saint-Cloud!« sagte er mit seiner heiseren Stimme. Sie wollte den Schlag öffnen, aber er drängte sie zurück.
»Geh nach Saint-Cloud, sag’ ich dir. Da passiert allerlei… Bin gerade mit dem Karren des Essighändlers von dort gekommen... ‘s gibt Spaß dort drüben heut Nacht. Geh nur hin…«
»Ich bin nicht eingeladen, mein guter Pain-Sec.«
»’s ist noch jemand dort, den sie nicht eingeladen haben... Gevatter Tod. Und zu seinen Ehren veranstalten sie sogar das Fest. Schau dir’s an…«
Angélique dachte plötzlich an Florimond, und der Atem stockte ihr.
»Was geht vor? Was weißt du?«
Doch der alte Vagabund humpelte bereits eilig davon. Von Befürchtungen bestürmt, die um so quälender waren, als sie den schrecklichsten Vermutungen Raum ließen, rief Angélique dem Kutscher zu, nach Saint-Cloud zu fahren. Der neue Kutscher, der bei der Herzogin von Chevreuse in Dienst gestanden hatte, besaß sehr viel mehr Gleichmut als sein Vorgänger. Trotzdem gab er zu bedenken, es sei gefährlich, zu dieser Nachtstunde ohne Eskorte durch die Wälder zu fahren. Ungeduldig ließ Angélique drei Lakaien und den Haushofmeister Roger wecken. Diese schwangen sich auf ihr Pferde und rahmten wohlbewaffnet die Kutsche ein, die in Richtung der Porte Saint-Honoré davonrollte.
Einundfünfzigstes Kapitel
Die schwüle Luft des Parks war vom Gezirpe der Grillen erfüllt. Das durchdringende, nicht
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