Angelique und der Koenig
zurück und küsste seiner Mutter die Hand.
»Das ist eine sehr traurige Geschichte, Frau Mutter, nicht wahr?« sagte er in dem gedrechselten Ton, den die Pagen ihren Herren ablauschten. »Man hat Madame vergiftet.«
»Florimond, ich beschwöre dich, fang nicht schon wieder mit deinen Vergiftungen an!«
»Doch, doch! Sie ist vergiftet worden. Jedermann sagt es.«
»Der Page hat recht«, bestätigte eine der jungen Hofdamen der Prinzessin. »Als Madame zu Bett gebracht worden war, sagte sie uns selbst, sie sei überzeugt, vergiftet worden zu sein.«
»Redet keinen Unsinn!« fuhr die Grande Mademoiselle sie an. »Wer sollte denn ein Interesse daran haben, eine so reizende Frau zu vergiften? Madame hatte keine Feinde.«
Man verstummte, aber jedermann dachte sich sein Teil, Mademoiselle de Montpensier nicht am wenigsten. Ein Name schwebte auf aller Lippen: der des Ehemannes des Opfers oder doch der seines verdrängten Favoriten.
Mademoiselle fächelte sich nervös, dann stürzte sie dem Pater Feuillet entgegen, der hereingeführt wurde.
»Ohne mich, Herr Abbé, würde die arme Prinzessin wie eine Ketzerin ins Jenseits hinüberwechseln. Kommt, ich begleite Euch.«
In gedämpftem Ton berichtete Madame de Gamaches, warum Monsieur den Pater Feuillet nicht mochte. Er war ein aufrechter, strenger Priester, auf den man mit Vorliebe den Psalmenvers anwandte:
»Ich redete von deinen Geboten vor den Königen und errötete nicht.«
Während der Fastenzeit zu einem Imbiss beim Bruder des Königs geladen, hatte dieser ein Biskuit genommen und ihn dabei gefragt:
»Das bedeutet doch nicht das Fasten brechen, nicht wahr?«
»Esst einen Ochsen und seid ein Christ«, hatte der Domherr geantwortet.
Die junge Hofdame kicherte.
Ein von den Gemächern der Prinzessin her sich näherndes Stimmengewirr ließ die Damen aufhorchen. Der König erschien, von einem Schwarm schwarzgekleideter Ärzte begleitet, mit denen er sich unterhielt. Die Königin folgte, danach die Gräfin von Soissons, Mademoiselle de La Vallière, Madame de Montespan und Mademoiselle de Montpensier. Im Vorbeigehen entdeckte der König Angélique, ließ die Ärzte stehen und zog sie, unbekümmert um die Blicke, die ihnen folgten, in eine Fensternische.
»Meine Schwägerin ist aufgegeben«, sagte er. Er wirkte verstört, sein Blick schien um ein Trosteswort zu betteln.
»Sire, besteht denn wirklich keine Hoffnung mehr? Die Ärzte…«
»Die Ärzte haben so lange erklärt, dass es nur eine harmlose Unpässlichkeit sei, bis ihnen die Geschichte über den Kopf wuchs und sie nicht mehr ein noch aus wussten. Ich habe versucht, ihnen den Verstand wieder zurechtzurücken. Ich bin kein Arzt, aber ich habe ihnen mindestens dreißig Mittel vorgeschlagen; sie antworteten, dass man abwarten müsse. Sie sind Esel«, schloss er und warf einen finsteren Blick in die Richtung der Heilkünstler mit den spitzen Hüten, die in kleinen Gruppen leise weiterdiskutierten.
»Aber wie konnte nur ein solches Unglück geschehen? Madame schien doch bei bester Gesundheit. Sie war so frohgemut aus England zurückgekehrt…«
Wortlos sah er sie an, und sie las in seinen Augen den schrecklichen Verdacht, der ihn quälte. Sie senkte den Kopf, da sie nicht wusste, was sie ihm sagen sollte. Am liebsten hätte sie seine Hand ergriffen, aber sie wagte es nicht.
»Ich möchte Euch um einen Gefallen bitten, Angélique«, murmelte er. »Bleibt hier, bis... bis zum Ende, und dann bringt mir die Nachricht nach Versailles. Ihr werdet kommen, nicht wahr? Ich brauche Euch… Liebste.«
»Ich werde kommen, Sire.«
Ludwig XIV seufzte tief.
»Ich muss jetzt gehen. Die Fürsten dürfen keinen Sterbenden sehen. Das ist Vorschrift. Auch wenn ich einmal sterbe, wird meine Familie den Palast verlassen, und ich werde allein bleiben... Ich bin beruhigt, dass Madame Monsieur Feuillet bei sich hat.«
Angélique blieb allein. Während draußen Wagentüren zufielen, Pferde wieherten und Räder über den Kies davonrollten, setzte sich Angélique auf eine Bank, um zu warten. Florimond erschien von neuem, aufgeregt, wie Kinder es sind, die sich in ein Drama verwickelt sehen, das sie innerlich nicht berührt. Er vertraute ihr an, Monsieur läge zu Bett und schlafe friedlich. Gegen Mitternacht erschien Madame de La Fayette, die sich bei der Prinzessin aufhielt, und teilte ihr mit, Madame habe von ihrer Anwesenheit in Saint-Cloud erfahren und wünsche sie zu sehen.
Das Zimmer war noch immer von Menschen erfüllt, doch seit der Ankunft Pater
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