Angelique und der Koenig
befinden sich in den Händen eines hohen Beamten. Ihr werdet mir verzeihen, dass ich Euch seinen Namen nicht nenne. Aber Ihr sollt wissen, dass er häufig vom König empfangen wird... Habt die Güte, mir die Nadeln mit den Perlenköpfen zu reichen, damit ich Euer Chignon feststecken kann.«
Madame de Montespan folgte mechanisch ihrer Anweisung.
»Am Tage meines Todes«, fuhr Angélique fort, »kaum dass die betrübliche Kunde meines plötzlichen und unerklärlichen Endes diesem Beamten zu Ohren gekommen ist, wird er sich zum König begeben und ihm den Brief und die Gegenstände aushändigen, die ich bei ihm deponiert habe. Ich zweifle nicht, dass Seine Majestät Eure Handschrift und Eure prächtige Orthographie erkennen wird.«
Die Favoritin gab es auf, sich zu verstellen. Sie hatte allerlei Dosen und Fläschchen geöffnet, um ihr Gesicht herzurichten, aber nun gehorchten ihr die Hände nicht mehr. Fiebrig fuhren sie hierhin und dorthin. Schläfen, Wangen und Lider beschmierend.
»Und wie, wenn Eure Drohung mich kalt ließe«, rief sie plötzlich aus, »wenn ich es vorzöge, alles zu riskieren, nur um Euch... tot zu wissen!«
Sie sprang mit geballten Fäusten auf, ihre Augen funkelten vor Hass.
»Tot«, wiederholte sie. »Das ist das einzige, worauf es mir ankommt. Denn wenn Ihr am Leben bleibt, nehmt Ihr mir den König. Ich weiß es. Oder vielmehr der König wird es sein, der Euch nimmt. Das kommt auf dasselbe heraus. Er begehrt Euch leidenschaftlich. Eure kokette Art wühlt ihm das Blut auf, bringt ihn um den Verstand. Ich zähle nicht mehr. Bald wird er mich verwünschen, denn Euch möchte er an meiner Stelle sehen, hier, in diesen Gemächern, die er für mich einrichten ließ. Da meine Ungnade ohnehin feststeht, ob Ihr nun tot oder lebendig seid... sollt Ihr wenigstens sterben!« Für eine Sekunde fühlte sich Angélique von dem lodernden Hass, der ihr aus der Stimme und dem Blick der Favoritin entgegenschlug, überwältigt. Doch schon in der nächsten hatte sie zur Gewissheit ihres Triumphes zurückgefunden. Ungerührt sagte sie:
»Es besteht ein Unterschied zwischen vorübergehender Ungnade, die dem König Euch gegenüber gewisse Gewissensbisse verursachen würde und Euch die Hoffnung ließe, ihn zurückzuerobern, und dem Grausen, das Ihr ihm einflößen würdet, wenn er von Euren Verbrechen erführe, der Verbannung oder der lebenslänglichen Gefängnisstrafe, die er über Euch verhängte. Ich zweifle nicht, dass eine Mortemart die richtige Wahl zu treffen versteht.«
Athénaïs verkrampfte ihre Hände. Das Zurschaustellen ihrer Wut und ihrer Ohnmacht hatte in seiner Zügellosigkeit etwas Primitives.
»Die Hoffnung, ihn zurückzuerobern…«, wiederholte sie. »Nein. Habt Ihr ihn einmal in Eurer Gewalt, besitzt Ihr ihn fürs ganze Leben. Das weiß ich. Ihr kennt ihn nicht wie ich. Ich war allmächtig über seine Sinne. Ihr aber seid allmächtig über sein Herz. Und es will etwas heißen, glaubt mir, über das Herz eines Mannes allmächtig zu sein, der gewohnt ist, es fest in seiner Gewalt zu haben.« Sie musterte ihre Rivalin, als sähe sie sie zum ersten Mal, und erkannte durch ihre gefährliche und heitere Schönheit hindurch eine unbekannte Waffe, von der sie bisher nichts geahnt hatte. Und die Stolze sprach ein erstaunliches Wort:
»Ich bin Euch unterlegen.«
Angélique zuckte kühl die Schultern.
»Spielt nicht das unglückliche Opfer, Athénaïs. Es steht Euch schlecht zu Gesicht. Setzt Euch lieber, damit ich Eure Frisur beenden kann.«
Madame de Montespan fuhr zornig zurück.
»Rührt mich nicht an. Ich verabscheue Euch.«
»Zu Unrecht. Die Frisur steht Euch ausgezeichnet, aber es wäre schade, wenn wir nicht auch die linke Seite in Locken legen würden.«
Wie einer Magd warf Athénaïs ihr grimmig den Kamm zu.
»Vollendet! Und beeilt Euch.«
Angélique rollte eine lange Locke um ihren Finger, ließ sie mit einer geschmeidigen Bewegung am Hals herabgleiten, so dass sie auf der perlmutterglänzenden Brust ruhte, über dem Ausschnitt des Mieders. Sie prüfte die Wirkung im Spiegel und begegnete den zornblitzenden Augen ihrer Feindin. Matt gesetzt! Doch für wie lange?
»Lasst mir den König«, murmelte Athénaïs unvermittelt.
»Lasst ihn mir. Ihr liebt ihn nicht.«
»Und Ihr?«
»Er gehört mir. Ich bin zur Königin geschaffen.«
Angélique rollte zwei weitere Locken ein und strich eine dünne, noch blondere Strähne über die Schläfe, die einem Hobelspan aus fahler Seide glich. Binet hätte es nicht
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