Angelique und der Koenig
Montespan wandte sich wieder ihrem Spiegel zu.
»Wir hören«, sagte sie kühl.
»Wir ist zuviel. Es genügt, wenn Ihr allein mir zuhört.«
»Ihr wollt, dass ich meine Damen hinausschicke? Unmöglich.«
Angélique lächelte liebenswürdig.
»Mag sein, aber ich bin sicher, dass auch Ihr es vorziehen würdet.«
Madame de Montespan runzelte die Stirn. In Angéliques Stimme klang etwas mit, was sie zögern ließ.
»Ich bin weder geschminkt noch frisiert, und der König erwartet mich zum Spaziergang durch den Park.«
»Daran soll es nicht liegen! Ich kann Euch fertig frisieren, während Ihr Euren Puder auflegt«, sagte Angélique und stand auf. Bereitwillig trat sie hinter Madame de Montespan und griff mit geschickter Hand in das schwere, korngelbe Haar.
»Ich werde Euch Meister Binets neueste Schöpfung komponieren. Sie wird Euch bestimmt wundervoll stehen. Gebt her, Kleine«, sagte sie und nahm der erstarrten Mademoiselle Désoeillet den Kamm aus der Hand. Athénaïs verabschiedete ihre Zofen.
»Geht, meine Damen!«
Während Angélique mit langsamen Bewegungen das seidige, diskret parfümierte Haar ausbreitete und mit dem Kamm in der Mitte teilte, beobachtete die Favoritin im Spiegel ihre Rivalin, deren Schönheit sie nicht leugnen konnte. Es war eine reine, gefährliche Schönheit. Angéliques Teint war makellos, ihr Gesicht wirkte stets wie gepudert, und ihrer vollendet geformten kleinen Nase schienen der Wein und die scharfen Ragouts nichts anzuhaben. Dieser Teint, der sie hätte entstellen können, war ihre Stärke und passte wunderbar zu ihren grünen Augen. Ihr Haar war vielleicht nicht mehr ganz so blond wie einst, aber seine natürliche, gelockte Beschaffenheit, die reiche und lebendige Tönung glich diesen kleinen Mangel aus.
»Jeden Mann, der ihr Haar betrachtet, muss das Verlangen überkommen, es zu streicheln«, sagte sich Athénaïs, von Eifersucht gefoltert.
Im Spiegel fing Angélique den Blick ihrer Feindin auf. Ohne sie aus den Augen zu lassen, beugte sie sich über sie und sagte mit gedämpfter Stimme: »Monsieur Duchesne ist heute Nacht ermordet worden.«
Sie bewunderte die Haltung Madame de Montespans, die kaum zusammenzuckte und ihren trotzigen, ruhigen Ausdruck bewahrte.
»Ach! Warum hat mir noch niemand diese Neuigkeit mitgeteilt?«
»Niemand hat es bisher erfahren – außer mir. Interessiert es Euch zu hören, wie die Sache sich zugetragen hat?«
Mit ruhiger Hand teilte sie die glänzenden Strähnen und rollte sie nacheinander um ein Elfenbeinstäbchen.
»Er kam von der Wahrsagerin Mauvoisin, der er eine Botschaft gebracht und von der er einen kleinen Beutel bekommen hatte, ein Fläschchen... Niemand wird es je erfahren...es sei denn, Ihr legt Wert darauf. Gebt acht, meine Liebe, Ihr verschmiert Euer Rouge.«
»Kleine Dirne!« murmelte die Montespan mit zusammengebissenen Zähnen. »Ihr habt es gewagt, so weit zu gehen!«
»Und Ihr?«
Mit einer heftigen Bewegung warf Angélique Kamm und Stäbchen auf den Frisiertisch. Ihre Hände legten sich auf die weißen, runden, ein wenig fülligen Schultern, die der König so gern küsste, und in einer zornigen Aufwallung bohrte sie ihre Nägel hinein.
»Und Ihr, was habt Ihr nicht alles gewagt! Ihr wolltet meinen Sohn töten... wolltet mich auf die ungeheuerlichste und schändlichste Weise umbringen!… Ihr habt mir den Teufel auf den Hals gehetzt. Aber der Teufel kehrt sich gegen Euch. Hört mir genau zu. Duchesne ist tot. Er wird nicht mehr reden. Niemand wird je erfahren, zu wem er heute Nacht ging, was er dort wollte und von wem der Brief stammte, den er der Voisin übergab.«
Madame de Montespan wurde plötzlich sanft.
»Der Brief«, sagte sie mit veränderter Stimme: »Der Brief... hat er ihn verbrannt?«
»Nein!«
Angélique zitierte ironisch: »Die Person lebt noch immer, und der König ist ihr jeden Tag mehr zugetan. Eure Versprechungen sind das viele Geld nicht wert, das ich Euch schon gezahlt habe... Über tausend Ecus bis zum heutigen Tag für Arzneien, die weder Liebe noch den Tod bewirken…«
Athénaïs wurde leichenfahl, aber sie reagierte mit der ihr eigenen Impulsivität und befreite sich aus Angéliques Griff.
»Lasst mich los, Furie! Ihr tut mir weh.«
Angélique nahm den Kamm wieder auf. Madame de Montespan puderte ihr zerkratztes Dekollete. »Was verlangt Ihr für diesen Brief?«
»Ich werde ihn Euch nie zurückgeben«, erwiderte Angélique. »Haltet Ihr mich für so dumm? Dieser Brief und die Gegenstände, von denen ich Euch sprach,
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