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Angelique und der Koenig

Angelique und der Koenig

Titel: Angelique und der Koenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Golon
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zum Fenster und presste seine Nase an eine der Scheiben, wie die Kinder es tun.
»Wie findet Ihr es hier? Hübsch, nicht wahr? Marquise der Engel, du, eine große Dame, du verleugnest also deine Freundschaft mit dem Narren der Königin nicht?«
Neben ihm blickte Angélique gleichfalls über die Gärten. Sie legte ihre Hand auf die Schulter des kleinen Mannes.
»Die Erinnerungen, die uns verbinden, gehören nicht zu denen, die man verleugnet, Barcarole.« Und leiser fügte sie hinzu: »Selbst wenn man wollte, man könnte es nicht…«

Die Sonne löste allmählich den Dunst auf. Der Tag versprach klar zu werden. Einer jener Sommertage, die ebenso mild und leuchtend sind wie ein Frühlingstag. Vom Nebel befreit, fanden die Hagebuchenhecken wieder zu ihrer grünen Färbung, die Bassins zu ihrer bläulichen Transparenz, die Blumen zu ihren lebhaften Tönen. Gärtner erschienen mit Schubkarren und Rechen. Es waren ihrer viele, und sie wirkten winzig auf der riesigen Esplanade.
    »Zuweilen«, sagte Barcarole mit gedämpfter Stimme, »ist unsere Königin besorgt. Sie hat mich während des ganzen Tages nicht gesehen. Wo mag ihr Lieblingsnarr geblieben sein? Er ist in Paris, mit Verlaub, Euer Majestät. Um einer anderen Majestät seine Ergebenheit zu bezeugen, die zu vernachlässigen keiner ihrer Untertanen sich erlauben würde, dem Großen Coesre Cul-de-Bois, König der Rotwelschen. Oh, der Untertanen unserer Art, Marquise der Engel, gibt es nicht viele! Solche, die in der Lage sind, volle Börsen in die Schale zu werfen, groß wie Melonen. Ich glaube, Cul-de-Bois hat mich gern.«
»Auch mich hat er gern«, murmelte Angélique und vergegenwärtigte sich das grob geprägte, eindrucksvolle Gesicht des beinlosen Krüppels, der über die heimlichen Wege Bescheid wusste, die die schöne Marquise du Plessis-Bellière, maskiert und verkleidet, in die finsterste Gegend des Faubourg Saint-Denis führten. Und allwöchentlich trugen Bediente ihres Hauses – ehemalige Angehörige der Bettlerzunft – Körbe mit erlesenen Weinen, Geflügel und Braten in seine verschwiegene Residenz.
»Du brauchst nichts zu befürchten, Marquise der Engel«, flüsterte Barcarole. »Wir andern wissen das Geheimnis zu bewahren. Und vergiss nicht, dass du nie allein dastehen wirst, in keiner Gefahr, auch hier nicht.«
Er wandte sich in den Raum und umschloss mit einer ausholenden Bewegung seiner kleinen Arme die prächtige Szenerie.
»Hier! Im Palast des Königs... wo jedermann einsamer und gefährdeter ist als an jedem anderen Ort der Erde …«

Sechstes Kapitel

    Der König erhob sich, und die erste Gruppe hielt ihren Einzug: die Prinzen von Geblüt. Während sie sich verneigten, verließ der König sein Bett. Der Großkämmerer legte ihm den Schlafrock um, der ihm zuvor vom ersten Kammerdiener gereicht worden war. Seine Majestät hatte das Recht, sich selbst die Kniehosen anzuziehen, dann stürzte einer der Großwürdenträger hinzu, um die Strumpfbänder zu befestigen. Da das Darreichen des Hemdes das Privileg des ersten Hofkavaliers war, hatte man zu warten, bis dieser erschien. Stolz schritt er an der Spitze der zweiten Gruppe einher, die sich aus Mitgliedern des hohen Adels und besonders berufenen Standesherren zusammensetzte. Nachdem der König sein Hemd empfangen hatte, half ihm der erste Kammerdiener in den rechten, der erste Garderobier in den linken Ärmel.
    Die dritte Gruppe, aus Herzögen und Paris bestehend, drängte sich unter beglücktem Gemurmel und unzähligen Verbeugungen herein, so dass sich die bestickten Röcke wie ein Blumenfeld unter einem Gewittersturm neigten. Währenddessen befestigte der Vorsteher der Kleiderkammer die Halsbinde. Das war sein Vorrecht. Doch der »Cravatier« fand sie schlecht geknüpft, machte sich an ihr zu schaffen und band sie schließlich neu. Dies wiederum war dessen Privileg. Vorausgesetzt, dass er sich zuvor vergewissert hatte, ob kein höherer Beamter der Kammer anwesend sei.
Die vierte Gruppe, die der Staatssekretäre, die fünfte, die der Botschafter, die sechste in Veilchenblau und Purpurrot, die der Kardinale und Bischöfe, füllten allmählich das Schlafgemach des Königs, der auf den ersten Blick einen jeden erkannte und die Fehlenden bei sich registrierte. Er stellte Fragen, ließ sich über den Hofklatsch informieren und lachte über eine witzige Antwort. Und die Heiligen des Versailler Paradieses genossen es, dass ihnen der Anblick des Königs im Schlafrock vergönnt war, zumal wenn sie an die

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