Angelique und der Koenig
de Gordon-Huxley vorbei und rief:
»Madame ist tot!«
Wie sie es dem König versprochen hatte, schickte sich Angélique sogleich an, nach Versailles zu fahren. Gern hätte sie Florimond mitgenommen, um ihn der Unruhe des Trauerhauses zu entreißen, aber als sie den Jungen in der Eingangshalle fand, hockte er auf einer Truhe und hielt ein neunjähriges Mädelchen an der Hand.
»Das ist die kleine Mademoiselle«, erklärte er.
»Niemand kümmert sich um sie. Da muss ich ihr eben Gesellschaft leisten. Sie begreift noch nicht, dass ihre Mutter tot ist. Madame war eine Prinzessin, aber eben doch ihre Mutter, nicht wahr? Wenn sie es begreift, wird sie weinen. Ich muss hierbleiben, um sie zu trösten.«
Angélique fuhr ihm über das dichte Haar. Es gehörte sich für einen guten Vasallen, den Schmerz seiner Fürsten zu teilen und ihnen in ihrem Kummer beizustehen. Sie selbst begab sich ja zum König. Mit tränenfeuchten Augen küsste sie die kleine Prinzessin, die tatsächlich über den Verlust ihrer Mutter, die sie kaum kannte und die sich wenig um sie gekümmert hatte, kaum bewegt schien.
Auch andere Kutschen rollten über die nächtliche Straße nach Versailles. Angélique ließ sie in gestrecktem Galopp überholen. Als sie vor dem Schloss vorfuhr, herrschte noch völlige Dunkelheit. Nur im Kabinett des Königs, in das man sie führte, brannte Licht. Er hatte sie erwartet.
»Nun?«
»Es ist zu Ende, Sire. Madame ist verschieden.«
Er neigte den Kopf und gab nichts von den Gefühlen zu erkennen, die ihn bewegten.
»Glaubt Ihr, dass sie vergiftet worden ist?« fragte er endlich.
Angélique machte eine vage Geste.
»Alle Welt vermutet es«, fuhr der König fort. »Aber Ihr, die Ihr mehr Verstand besitzt, sagt mir Eure Ansicht.«
»Madame fürchtete seit langem, durch Gift zu sterben. Sie vertraute es mir an.«
»Sie fürchtete? Wen fürchtete sie? Hat sie Namen geäußert?«
»Sie wusste, dass der Chevalier de Lorraine sie hasste und ihr seine Verbannung nicht verzieh.«
»Und weiter…? Redet... redet doch. Wer wird je offen zu mir sprechen, wenn nicht Ihr?«
»Madame sagte, Monsieur habe ihr in seinem Zorn oft gedroht.«
Die Muskeln seiner Wangen traten hart hervor.
»Wenn mein Bruder…«, murmelte er.
Er hob den Kopf.
»Ich habe Anweisung gegeben, mir unverzüglich den Oberaufseher des Tafeldienstes von Saint-Cloud, Maurel, vorzuführen. Er muss jeden Augenblick kommen. Aha, ich höre Schritte. Sie sind es vermutlich. Ich möchte, dass Ihr unserer Unterredung beiwohnt. Bleibt hinter jener Portiere.«
Angélique hatte sich kaum hinter den Vorhang zurückgezogen, den er ihr gewiesen hatte, als sich schon die Tür öffnete und der besagte Maurel, von Bontemps und einem Offizier der Leibgarde begleitet, eintrat. Es war ein Mann mit harten Zügen, dem es neben betonter berufsmäßiger Unterwürfigkeit nicht an Arroganz fehlte. Trotz des über ihn verhängten Haftbefehls schien er durchaus gefasst. Mit einer Geste bedeutete der König dem Kammerdiener zu bleiben. Der Offizier zog sich zurück.
»Seht mich an«, sagte der König mit ernstem Gesicht zu Maurel. »Ihr könnt darauf rechnen, dass Ihr am Leben bleibt, wenn Ihr aufrichtig seid. Nur von Euch hängt es ab, ob Ihr dieses Schloss lebend oder tot verlasst.«
»Sire«, erwiderte der Oberaufseher ruhig, »nach Eurem geheiligten Wort wäre ich ein Tor, wenn ich zu lügen wagte.«
»Schön... Antwortet jetzt. Ist Madame an einer Vergiftung gestorben?«
»Jawohl, Sire.«
»Wer hat sie vergiftet?«
»Der Marquis d’Effiat und ich.«
Der König stutzte.
»Wer hat Euch diesen grausigen Auftrag erteilt, und von wem erhieltet Ihr das Gift?«
»Der Chevalier de Lorraine hat uns zu diesem Anschlag angestiftet. Er hat uns aus Rom die giftige Droge geschickt, die ich zubereitete und die d’Effiat in das Getränk Ihrer Königlichen Hoheit geschüttet hat.«
Es schien, als brauche der König für seine nächsten Worte übermenschliche Kraft:
»Und mein Bruder –«, er mühte sich, seine Stimme in der Gewalt zu behalten,»– mein Bruder... hat er von dem Anschlag Kenntnis gehabt?«
»Nein, Sire.«
»Könnt Ihr das beeiden?«
»Sire, ich schwöre vor Gott, den ich beleidigt habe… Monsieur hat von dem Geheimnis nichts gewusst… Wir konnten nicht auf ihn rechnen... er hätte uns ins Verderben gestürzt.«
Ludwig XIV richtete sich auf.
»Das war es, was ich wissen wollte... Geht, Elender. Ich schenke Euch das Leben, aber verlasst mein Land und wisst, dass Ihr, solltet Ihr abermals
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