Angelique und der Koenig
wir müssen es besser machen als das Ausland. Aber wir ziehen nicht am gleichen Strang. Auch ich hätte mein Geschäft für mich allein weiterbetreiben und ausdehnen können. Ich habe es vorgezogen, beim Kardinal Mazarin die Staatskunst zu erlernen und danach meinen Handelssinn und mein Organisationstalent in den Dienst des Staates zu stellen. Das stärkt ihn und mich zugleich. Der König selbst hat bereits in früher Jugend das gleiche Prinzip verfolgt. Er ist ebenfalls ein Schüler des Kardinals, doch er übertrifft ihn an Klugheit, weil er das Material kennt, das er bearbeitet. Der Herr Kardinal selig wusste zuwenig über die Franzosen. Er besaß politischen, aber keinen allgemein menschlichen Instinkt. Unser derzeitiger König bringt so viel zuwege wie vier Könige zusammen, aber er hält es für tunlich, sich aus seiner Umgebung möglichst viele Menschen herauszusuchen, die ihm behilflich sein könnten.«
Während Colbert sprach, wurde er zunehmend ärgerlicher, und als er verstummte, war sein Gesichtsausdruck so verdrossen, dass Angélique sich nicht enthalten konnte, ihn nach dem Grund zu fragen.
»Weil ich nicht weiß, wie ich dazu komme, Euch all das zu erzählen. Der Teufel soll mich holen, wenn Madame Colbert mich jemals soviel über meine Empfindungen hat schwatzen hören.«
Angélique musste lachen und meinte, gar oft hätten ihr schon als verschlossen geltende Männer den Vorwurf gemacht, dass sie ihnen vertrauliche Mitteilungen entlocke.
»Ich sage das ohne jede Boshaftigkeit, Herr Minister, glaubt mir. Ich folge Euren Worten mit leidenschaftlichem Interesse und hoffe, dass diese Teilnahme Euch bestimmen wird, eine Unterhaltung fortzusetzen, mit der mich zu beehren Euer Exzellenz so liebenswürdig ist.«
Für einen Moment wirkte Monsieur Colbert wie ein Vogel, der einen zu großen Frosch verschlungen hat. Er verabscheute Schmeicheleien, hinter denen er verdächtige Absichten argwöhnte. Doch als er einen düsteren Blick auf Angélique warf, glaubte er, ihre Aufrichtigkeit zu erkennen.
»Schließlich ist die Gabe, sich für die Gedanken anderer zu interessieren, nicht eben weit verbreitet«, meinte er mürrisch. Sein Lächeln kehrte zurück.
»Macht den Graubärten gegenüber von ihr Gebrauch, Madame. Was die jungen Männer betrifft, so wird Euer Zauber genügen. Und die Frauen werden Eure Eleganz, Eure Vitalität mit Leichtigkeit gewinnen. Kurz, Ihr verfügt über nicht zu verachtende Waffen.«
»Und zu welchem Zweck sollte ich dieses ganze Arsenal aufbieten?«
Der Minister nahm sich Zeit zum Überlegen. »Zunächst einmal sollt Ihr Euch nicht vom Hof entfernen. Ihr werdet in seinem Dienst stehen, ihn überallhin begleiten und bemüht sein, dort so viele Leute so eingehend kennenzulernen wie nur möglich.«
Die junge Frau hatte alle Mühe, die tiefe Befriedigung zu verbergen, die ihr diese Aussichten gewährten.
»Diese... Arbeit erscheint mir nicht gerade schwierig.«
»Alsdann werden wir Euch zu verschiedenen Aufgaben heranziehen, die vor allem den Seehandel, aber auch den Handel schlechthin und seine einzelnen Zweige betreffen, unter anderem die Mode.«
»Die Mode?«
»Ich habe die Mode mit einbezogen, um Seine Majestät zu bestimmen, Euch, einer Frau, gewichtigere Kompetenzen zu übertragen. Ich will mich näher erklären. Beispielsweise möchte ich hinter das Geheimnis der venezianischen Stickerei kommen, jener Spitze, von der soviel hergemacht wird und die bisher nicht nachgeahmt werden konnte. Ich habe versucht, ihren Verkauf zu unterbinden, aber jeder Geck lässt sich Kragen und Manschetten damit besetzen, und so fließen jährlich über drei Millionen Livres nach Italien. Einerlei, ob es offen oder auf Schmuggelwegen geschieht, jedenfalls ist es bedauerlich für den französischen Handel. Wir müssen also hinter das Geheimnis dieser Spitze kommen, um hierzulande eine Manufaktur begründen zu können.«
»Ich müsste nach Venedig reisen.«
»Das glaube ich nicht. In Venedig würdet Ihr Verdacht erregen und nichts herausbekommen. Ich habe aber gute Gründe anzunehmen, dass die Schmuggelagenten hier am Hofe leben. Von ihnen ausgehend, könnte man den Faden zurückverfolgen, zumindest bis zu den Depots, in denen sie sich eindecken. Ich habe zwei Vertreter der Marseiller Kaufmannschaft in Verdacht. Das Geschäft muss ihnen Riesensummen einbringen.«
Angélique war nachdenklich geworden.
»Die Tätigkeit, die Ihr von mir verlangt, grenzt an Spionage«, warf sie ein.
Monsieur Colbert gab es zu. Er
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