Angelique und der Koenig
zum Frisiertisch, um sie einzeln in ihre Schmuckkästchen zu legen. Der große ovale Spiegel warf ihr vom sanften Licht der Kerzen vergoldetes Bild zurück. Mit leicht melancholischem Vergnügen prüfte sie die Vollkommenheit ihres Gesichts, über dessen Wangen und Lippen ein frischer Rosenhauch lag. Die Spitzen des Hemdes ließen die jugendlich sich rundenden Schultern hervortreten, die den schlanken Hals stützten.
»Diese venezianische Spitze ist wirklich ein Wunderwerk«, dachte sie.
»Monsieur Colbert hat recht, wenn er sie in Frankreich nachahmen will.«
Sie berührte mit den Fingerspitzen das spinnennetzfeine Gewebe. Durch das durchbrochene, zarte Blumenmuster schimmerte rosig ihre Haut. Bis auf die Brüste reichte die Spitze hinab und ließ dort zwei dunklere Blumen erkennen.
Angélique hob ihre bloßen Arme, um den diademförmigen Perlenschmuck aus ihrem Haar zu nehmen. Ihre schweren, glänzenden Locken fielen auf die Schultern herab. Und trotz ihrer fülligen Figur, die das duftige Linnen ahnen ließ, fand sie sich schön. Sie musste an die verfängliche Frage denken, die Lauzun gestellt hatte. »Für wen?« Wie einen leise ziehenden Schmerz empfand sie die Vereinsamung ihres zugleich allzu begehrten und verschmähten Körpers. Mit einem neuerlichen Seufzer wandte sie sich um, griff nach ihrem Schlafrock aus purpurrotem Taft und hüllte sich sorgsam in ihn ein. Was sollte sie heute abend tun? Sie war noch nicht müde. An Ninon de Lenclos schreiben? Oder an Madame de Sévigné, die sie ein wenig vernachlässigt hatte? Oder einige fällige Abrechnungen erledigen wie in ihrer Kaufmannszeit? Männerschritte ließen sich in der Galerie vernehmen, die sporenklirrend rasch die Treppe heraufkamen. Vermutlich war es Malbrant, der Reitlehrer Florimonds und Cantors, Malbrant Schwertstreich genannt, der von einer vergnüglichen Unternehmung heimkehrte. Doch die Schritte näherten sich. Angélique wunderte sich, und plötzlich wurde ihr klar, wer da kam. Sie zuckte zusammen, wollte zur Tür laufen, um den Riegel vorzuschieben. Es war zu spät. Die Tür flog auf, und auf der Schwelle erschien der Marquis du Plessis-Bellière. Er trug noch seinen silbergrauen, mit schwarzem Pelz verbrämten Jagdrock, den schwarzen, mit einer einzigen weißen Feder geschmückten Hut, schwarze, schmutzbedeckte Schaftstiefel. In den von ebenfalls schwarzen Stulpenhandschuhen geschützten Händen hielt er eine lange Hundepeitsche. Einen Moment blieb er mit gespreizten Beinen regungslos auf der Schwelle stehen und nahm das Bild in sich auf, das die blonde, junge Frau vor ihrem Frisiertisch inmitten des Durcheinanders von Kleidungsstücken und Juwelen bot. Dann trat er vollends ein, schloss die Tür, und nun war er es, der mit einer jähen Bewegung den Riegel vorschob.
»Guten Abend, Philippe«, sagte Angélique.
Sein Anblick löste ein aus Angst und Freude gemischtes Gefühl in ihr aus, das ihr den Atem benahm. Er war schön. Sie hatte ganz vergessen, wie schön er war und in welchem Maße er seiner Erscheinung Vollkommenheit zu geben verstand. Er war der schönste Edelmann bei Hofe. Und er gehörte ihr, wie sie es ersehnt hatte, als sie noch als leidenschaftliches kleines Mädchen in den Anblick des schönen Jünglings versunken gewesen war.
»Ihr habt meinen Besuch nicht erwartet, Madame?«
»Freilich habe ich ihn erwartet... Ich habe ihn erhofft.«
»Es fehlt Euch wahrhaftig nicht an Mut! Hattet Ihr nicht allen Grund, meinen Zorn zu fürchten?«
»Gewiss. Und deshalb dachte ich, je früher diese Aussprache stattfindet, desto besser. Man gewinnt nichts dabei, wenn man den Augenblick hinauszögert, in dem man die bittere Arznei schlucken muss.«
Philippes Gesicht verfinsterte sich in rasender Wut.
»Verdammte kleine Heuchlerin! Ehebrecherin! Ihr könnt mir nicht weismachen, dass Ihr Euch danach gesehnt habt, mich zu sehen, während Ihr Euch alle Mühe gabt, mich matt zu setzen. Habe ich nicht soeben erfahren, dass Ihr zwei Hofämter erlangt habt?«
»Ah!... Ihr seid im Bilde«, sagte sie unsicher.
»Ja, ich bin im Bilde«, bellte er, außer sich.
»Und Ihr... Ihr scheint darüber nicht erfreut zu sein?«
»Hoffet Ihr etwa, mich zu erfreuen, indem Ihr darauf ausgingt, mich ins Gefängnis zu bringen, um in Ruhe Euer Spinnennetz weben zu können? Und jetzt… jetzt glaubt Ihr, mir entwischt zu sein. Aber das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Ihr sollt mir Euren Handel teuer bezahlen. Die Züchtigung, die ich Euch erteilen werde, habt Ihr in
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