Angelique und der Koenig
sich vor der Königin verneigt hatte, eröffnete er den Ball mit Madame de Montespan.
Angélique trat in den Saal. Es war Zeit für sie, sich einen Platz zu suchen. Im Schatten eines Wandbehangs grinste der mit einem neuen Federhut herausgeputzte Gnom…
Zwanzigstes Kapitel
Der König beschäftigte sich mit Dingen, die den Krieg betrafen. In Fontainebleau wurden Truppen versammelt. Die Damen genossen das Schauspiel der Heerschauen, und der König wiederum genoss es, die Disziplin und die schönen Uniformen der Männer bewundert zu sehen. La Violette polierte die Rüstung seines Herrn, den stählernen Brustharnisch, der dekorativer war als nötig und den der Marschall unter seinem Spitzenkragen tragen würde. Das mit Stickereien verzierte Zelt allein hatte einen Wert von zweitausend Livres. Fünf Maultiere sollten die Ausrüstung tragen. Die Musketiere der eigenen Kompanie Monsieur de Plessis’ waren in gemsfarbene, mit gelbem Büffellederbesatz geschmückte Röcke und Kniehosen aus weißem Leder gekleidet. Ja, es herrschte ein kriegerischer Geist. »He! König von Frankreich, wann gibst du uns endlich den Krieg, den schönen Krieg!« hatte der an den Seineufern entlangziehende Pöbel gerufen, und das Geschrei war bis zum jungen Monarchen gedrungen, der ja auch im Winde die Verlockung des Ruhmes witterte. Nur der Krieg brachte Ruhm. Erst der Triumph der Waffen schuf die Größe der Monarchen. Wie ein leuchtendes Phantom tauchte aus sieben faulen Friedensjahren der Krieg empor, von dem sich ein jeder, angefangen beim König, den Fürsten, den Edelleuten bis zum unruhigen Volk der Raufbolde, Stillung seiner Abenteuerlust versprach. Die Bürgerlichen, die Handwerker und Bauern wurden nicht gefragt. Hätten sie widersprochen? Kaum. Für die Nation, die ihn unternimmt, bedeutet der Krieg den Sieg, die Verheißung der Bereicherung, die trügerische Hoffnung, sich von unerträglicher Knechtschaft zu befreien. Sie hatten Vertrauen zu ihrem König. Sie mochten weder die Spanier noch die Engländer, Holländer, Schweden oder Kaiserlichen. Der Augenblick schien gekommen, Europa zu zeigen, dass Frankreich die erste Nation der Welt war und nicht mehr zu gehorchen, sondern seine Befehle zu diktieren gedachte.
Es fehlte an einem Vorwand. Kasuistiker wurden vom König beauftragt, ihn aus der politischen Vergangenheit und Zukunft herauszupressen. Nach langem Bemühen entdeckte man, dass die Königin Maria Theresia, Kind aus der ersten Ehe Philipps IV. von Spanien, ein Erbrecht auf Flandern hatte, das dem Karls II., des Kindes aus zweiter Ehe, vorging. Spanien wandte ein, dieses Recht gründe sich auf ein lediglich für die Provinzen der Niederlande gültiges Gesetz, das die Thronfolge der Kinder zweiter Ehe zugunsten der aus erster ausschloss, und dass Spanien als Herr dieser Provinzen sich nicht danach zu richten brauche. Es erinnerte ferner daran, dass Maria Theresia bei der Eheschließung mit dem König von Frankreich feierlich auf jegliches spanisches Erbe verzichtet habe.
Frankreich erwiderte, infolge des betrüblichen Umstandes, dass Spanien die fünfhunderttausend Ecus, die gemäß dem Pyrenäenvertrag dem König von Frankreich als Mitgift Maria Theresias zuständen, nicht ausgezahlt habe, sei die vorausgegangene Verzichtleistung null und nichtig geworden. Spanien hinwiederum erklärte, es brauche dieser Forderung nicht nachzukommen, denn die vereinbarte Mitgift für die Tochter Heinrichs IV., die im Jahre 1621 spanische Königin geworden war, sei vom Hof des Louvre ebensowenig ausgezahlt worden. An diesem Punkt schob Frankreich weiteren Reminiszenzen der Diplomaten einen Riegel vor und machte sich das Prinzip zu eigen, dass man in der Politik ein kurzes Gedächtnis haben müsse. Die Armee brach zur Eroberung Flanderns auf, und der Hof schloss sich ihr wie zu einer Vergnügungsreise an.
Es war Frühling. Ein freilich regnerischer Frühling, gleichwohl die Jahreszeit, die mit den Apfelbäumen die kriegerischen Pläne zum Aufblühen bringt.
Im Gefolge der Truppen befanden sich ebenso viele Kutschen wie Kanonen und Kriegsmaterial. Ludwig XIV. wünschte, dass die Königin, Erbin der pikardischen Städte, in jedem eroberten Platz sofort als Herrscherin empfangen werden sollte. Durch seinen Prunk wollte er eine Bevölkerung blenden, die seit über einem Jahrhundert an den anmaßenden, aber recht armseligen spanischen Okkupanten gewöhnt war.
Endlich wollte er dem betriebsamen Holland einen entscheidenden Schlag versetzen, dessen
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