Angelique und der Koenig
Sichdarbietens oder der Verweigerung als in der ausgelassensten »Corrante«.
Der heißblütige Hof hatte sich diesem scheinbar so gehaltenen Rhythmus begeistert ergeben. Er erkannte unter der heuchlerischen Maske das Nahen der Begierde, die weniger das Kind des Feuers als das der Nacht und der Stille ist.
Angélique tanzte gut und ausgesprochen gern. Zuweilen streiften fremde Finger die ihren, aber sie achtete nicht darauf. Gleichwohl erkannte sie die königlichen Hände, auf die sich gelegentlich eines Rondos die ihren legten. Ihr Blick wanderte zu den Augen des Königs, dann senkte er sich jäh.
»Immer noch böse?« fragte der König mit gedämpfter Stimme.
Angélique tat verwundert.
»Böse? Bei solchem Fest? Was meint Euer Majestät damit?«
»Vermag ein solches Fest den Groll zu mildern, den Ihr seit langen Monaten gegen mich hegt?«
»Sire, Ihr macht mich bestürzt. Wenn Euer Majestät mich derartiger Gefühle verdächtigt, warum hat sie mir gegenüber nie etwas davon verlauten lassen?«
»Ich fürchtete, Ihr könntet mir grüne Erbsen ins Gesicht werfen.«
Der Tanz trennte sie. Die Worte des Königs hatten Angélique erregt; ihr Herz klopfte. Als er wieder an ihr vorüberkam, sah sie, dass die zugleich gebieterischen und sanften Augen eine Erwiderung forderten.
»Das Wort ›fürchten‹ macht sich schlecht auf den Lippen Eurer Majestät«, murmelte sie.
»Der Krieg scheint mir weniger schrecklich als die Strenge Eures hübschen Mundes.«
Sobald es anging, verließ Angélique die Tanzfläche und verbarg sich in der letzten Reihe der Galerie zwischen den Witwen, die, mit ihren Fächern spielend, dem Treiben zuschauten. Doch bald schon trat ein Page zu ihr und bat sie, ihm zu folgen. Sie hatte nicht den Mut zu fragen, von wem die Botschaft käme.
Der König erwartete sie draußen im Dunkel einer Allee, in das nur schwacher Lichtschein drang.
»Ihr hattet recht«, sagte er in scherzendem Ton.
»Eure Schönheit heute abend ermutigt mich. Der Moment ist gekommen, uns wieder zu versöhnen.«
»Ist er gut gewählt? Aller Augen sind auf Euer Majestät gerichtet, und gleich wird jedermann nach ihr ausspähen und über ihre Abwesenheit befremdet sein.«
»Nein. Man tanzt. Man kann mich immer an einer andern Stelle des Saals vermuten. Und ich habe endlich die lange ersehnte Gelegenheit, ein paar Worte mit Euch zu wechseln, ohne Aufmerksamkeit zu erregen.«
Angélique fühlte sich erstarren. Das Manöver war allzu durchsichtig. Madame de Montespan und der König waren abermals übereingekommen, sie in ihr kleines Spiel hineinzuziehen, dessen Kosten sie bisher bestritten hatte.
»Wie widerspenstig Ihr seid!« meinte er sanft, während er ihren Arm nahm. »Habe ich nicht einmal das Recht, Euch meinen Dank abzustatten?«
»Dank? Wofür?«
»Monsieur Colbert hat mir wiederholt versichert, dass Ihr in der Rolle, die er Euch übertragen hat, wahre Wunder verrichtet. Wir sind uns bewusst, dass wir Euch gewisse finanzielle Erfolge verdanken.«
»Oh, nur darum handelt es sich?« sagte sie und macht sich los. »Euer Majestät schuldet mir keinen Dank. Ich werde ja reichlich dafür bezahlt – das genügt mir.«
Sie trat einen Schritt zurück, wie um sich aus dem Bann der Persönlichkeit des Königs zu lösen, und sah ihn kühl und offen an.
»Und noch weniger erwarte ich Dank für den Dienst, den ich Euer Majestät und Madame de Montespan unwissentlich erwies«, sagte sie mit einer Spur von Ironie in der Stimme. »Marionetten lenkt man – man dankt ihnen nicht.«
Der König lächelte schuldbewusst.
»Ah... ich verstehe! Ihr nehmt es Madame de Montespan übel, dass sie den Verdacht ihres unerträglichen Gatten auf Euch abgelenkt hat. Immerhin, ein schlauer Plan.«
»Der Euer Majestät gewiss nicht unbekannt war.«
»Haltet Ihr mich für einen Intriganten oder Heuchler?«
»Soll ich den König belügen oder sein Missfallen erregen?«
»So also denkt Ihr über Euren Monarchen?«
»Mein Monarch hat sich mir gegenüber nicht so zu benehmen. Für wen haltet Ihr mich? Bin ich ein Spielzeug, über das man verfügt? Ich gehöre Euch nicht.«
Der König packte sie bei den Handgelenken.
»Ihr irrt Euch. Alle meine Damen gehören mir durch Fürstenrecht.«
Sie zitterten beide vor Zorn. Trotzig, mit funkelnden Augen, standen sie einander eine Weile gegenüber. Der König fasste sich zuerst.
»Kommt, wir wollen uns nicht um solcher Kleinigkeiten willen zanken. Glaubt Ihr mir, wenn ich Euch sage, dass ich es Madame de Montespan auszureden
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