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Angelique und der Koenig

Angelique und der Koenig

Titel: Angelique und der Koenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Golon
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Jedermann spürte es: die Stunde der Lustbarkeiten hatte geschlagen. Die Gittertore des Schlosses taten sich auf, und das Volk strömte mit staunenden Augen durch die Höfe, die großen Salons und von dort in den Park, um den Festzug vorüberziehen zu sehen. Der König hielt die Hand der Königin. Maria Theresia, rundlich, kindlich und mit ihren schmalen Schultern tapfer die Last einer goldbestickten Robe tragend, die schwerer als ein merowingischer Sargschrein war, wusste sich vor Freude nicht zu fassen. Sie liebte die Prachtentfaltung. Und heute erwies er ihr die ihr gebührende Ehre und führte sie an der Hand. Ihr von Eifersucht gepeinigtes Herz kam ein wenig zur Ruhe; die bösen Zungen des Hofs hatten sich über den Namen der neuen Favoritin nicht einigen können.
Wohl waren auch Mademoiselle de La Vallière und Madame de Montespan im Gefolge, die eine höchst niedergeschlagen, die andere höchst munter wie gewöhnlich, und ebenso jene Madame du Plessis- Bellière, schöner und aparter denn je, aber sie tauchten in der Menge unter, und keine hatte Anspruch auf besondere Ehren. Über dem prächtigen, gemächlich sich durch die Alleen bewegenden Zuge färbte sich der weite Himmel unter den letzten Strahlen der sinkenden Sonne purpurrot, und von den Rabatten, Bäumen und Laubengängen des Parks erhoben sich die blauen Schatten der Dämmerung. Doch blieb noch immer genügend Licht, den Marmor der Statuen und Brunnenfiguren mit einem leuchtenden Glanz zu umgeben, der ihnen ein seltsames, stumm-geheimnisvolles Leben verlieh.
Und als der Himmel verblasste und die Dämmerung dichter zu werden begann, blitzten plötzlich unzählige Lichter auf, die sich durch die Bosketts und Hainbuchengänge bewegten. Hirten und Hirtinnen erschienen singend und tanzend, während von einem großen Felsen Thyrsusstäbe und Tamburine schwingende Satyrn und Bacchantinnen sprangen und die muntere Gesellschaft umschwärmten, um sie zur Stätte der Theateraufführung zu geleiten. Die Bühne, auf der das Spiel stattfinden sollte, war am Schnittpunkt der Königsallee mit mehreren anderen Alleen errichtet worden. Um ihr empfindliches Kleid zu schützen, hielt sich Angélique aus dem nun entstehenden Gedränge heraus und beschloss, auf die Darbietung, die gewiss lange dauern würde, zu verzichten. Die Nacht war mild, und der Park von Versailles mit seinen Bosketts und sprudelnden Fontänen bot ihr ein feenhaftes Schauspiel. Sie genoss es, allein zu sein. Ein kleiner Marmorpavillon in einer Hainbuchennische, die wie ein bestirnter Himmel mit Lampions getüpfelt war, zog sie an. Sie stieg drei Stufen hinauf und lehnte sich an eine der schlanken Säulen. Der Duft von Geißblatt und Kletterrosen umschwebte sie. Der Lärm der Menge in der Ferne verebbte. Als sie sich umwandte, glaubte sie zu träumen. Ein schneeweißes Phantom verneigte sich am Fuß der Stufen vor ihr. Als es sich aufrichtete, erkannte sie Philippe. Sie hatte ihn seit ihrem Kampf in der Scheune nicht mehr gesehen, seit jener Umschlingung, die eine Bestrafung hatte sein sollen, die ihr jedoch, auch wenn sie sich dagegen sträubte, eine erregende Erinnerung bedeutete. Während der Hof in die Hauptstadt zurückgekehrt war, war der Marschall du Plessis im Norden geblieben und hatte dann die Armee in die Franche-Comté geführt. Nur gerüchtweise erfuhr Angélique von seinen Ortsveränderungen, denn Philippe hatte sich natürlich nicht die Mühe gemacht, ihr zu schreiben. Sie ihrerseits schrieb ihm zuweilen ein Briefchen, in dem sie von Charles-Henri und dem Leben des Hofs berichtete und auf dessen Beantwortung sie vergeblich hoffte. Nun war er plötzlich da, lautlos aufgetaucht aus dem Dunkel des Parks, und hob seinen ausdruckslosen Blick zu ihr auf, aber die Andeutung eines Lächelns entspannte seine Lippen.
»Ich begrüße die Baronesse Trauerkleid«, sagte er.
»Philippe…!« rief Angélique leise. Mit beiden Händen breitete sie ihren schweren Brokatrock aus.
»Philippe, an diesem Kleid sind für zehntausend Livres Diamanten.«
»Das Kleid, das Ihr damals trugt, war grau mit kleinen hellblauen Schleifchen am Mieder und einem weißen Kragen.«
»Ihr erinnert Euch noch?«
»Warum sollte ich nicht?«
Er stieg die Stufen hinauf, sie streckte ihm die Hand entgegen, und nach leichtem Zögern küsste er sie.
»Ich wähnte Euch bei der Armee«, sagte Angélique. »Der König forderte mich durch eine Botschaft auf, nach Versailles zurückzukehren und mich bei dem großen Fest heute Abend zu

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