Angelique und der Koenig
glauben, an die Trunkenheit, die sie selbst zitternd und so schwach zurückließ, dass sie den Tränen nahe war.
»Philippe!«
Sie brachte es nicht über sich, ihm zu sagen, wie dankbar sie ihm für seine Rücksichtnahme war. Ob sie ihn enttäuscht hatte?
»Philippe!«
Er hob den Kopf. Sein Gesicht blieb unergründlich, aber Angélique war ihrer Sache sicher. Ein ganz sanftes Lächeln schloss seine Lippen auf, und sie strich mit dem Finger über den blonden Schnurrbart, auf dem feiner Schweiß perlte.
»Mein großer Vetter…«
Was geschehen musste, geschah. Es kam jemand – ein Lakai, der zwei Besucher hereinführte: Monsieur de Louvois und seinen Vater, den grässlichen Michel Le Tellier. Der Alte ließ vor Entsetzen sein Lorgnon fallen. Louvois wurde puterrot. Empört zogen sich beide zurück. Am nächsten Morgen erzählte Louvois die Geschichte überall bei Hof herum.
»Am hellichten Tage…! Und noch dazu mit dem Ehemann!«
Konnten die Liebhaber und Verehrer der schönen Marquise eine solche Kränkung hinnehmen? Der Ehemann! Ein dem Hause selbst angehörender Rivale! Die Wollust im eigenen Heim…!
Madame de Choisy wanderte durch die Galerie von Versailles und rief immer wieder entrüstet aus: »Am hellichten Tage!... Am hellichten Tage!«
Beim Lever des Königs witzelte man darüber.
»Der König hat nicht so darüber gelacht, wie man hätte annehmen können«, stellte Péguillin fest. Er war nicht der einzige, der den geheimen Ärger des Monarchen bemerkt hatte.
»In allem, was Eure Person betrifft, ist er höchst empfindlich«, sagte Madame de Sévigné zu Angélique.
»Er hat in bester Absicht Eure Versöhnung mit Eurem jähzornigen Gatten gefördert. Aber man sollte das Versöhnen nicht übertreiben. Monsieur du Plessis hat zu viel Eifer an den Tag gelegt, um seinen Herrn zufriedenzustellen. Möglicherweise wird er in Ungnade fallen, weil er nicht begriffen hat, dass gewisse Befehle keine allzu genaue Befolgung erfordern.«
»Nehmt Euch vor dem Orden des Heiligen Sakraments in acht, meine Liebe«, flüsterte ihr Athénaïs mit einer hämischen Grimasse zu. »Die guten Leute haben einigen Grund, aufgebracht zu sein.«
Angélique verteidigte sich mit glühenden Wangen:
»Ich wüsste nicht, was der Orden vom Heiligen Sakrament einzuwenden haben könnte. Wenn ich die Huldigungen meines Mannes unter seinem Dach nicht empfangen darf…«
Athénaïs kicherte hinter ihrem Fächer. »Am hellichten Tage... und auf dem Teppich! Das ist ja der Gipfel der Lasterhaftigkeit, meine Liebe! Und nur verzeihlich, wenn es sich um einen Liebhaber handelt.«
Philippe, dem die harmlosen Witzeleien wie auch die Sarkasmen gleichgültig waren – vielleicht erfuhr er sie nicht einmal –, kam glimpflich davon. Der König freilich hatte harte Worte für ihn. Er schien sie zu überhören. Im Trubel der letzten großen Feste, die der König vor den Sommerfeldzügen gab, fand Angélique keine Möglichkeit, sich mit ihm auszusprechen. Seltsam, Philippe war ihr gegenüber wieder eisig geworden, und als sie ihn gelegentlich eines Balls ansprach, gab er ihr eine abweisende Antwort. Schließlich redete sie sich ein, sie habe jenen süßen Augenblick nur geträumt, den sie als einen kostbaren Schatz in leuchtender Erinnerung behielt. Aber die Menschen hatten dieses Geschehnis auf eine Weise in den Schmutz gezogen, die ihr noch immer die Schamröte ins Gesicht trieb. Und Philippe war um kein Haar besser als sie. Sie ahnte nicht, dass er sich mit ihm ungewohnten, wirren Gefühlen herumschlug, in denen sich die Vorwürfe seines Stolzes mit einer Art panischer Angst mischten, die Angélique ihm einflößte. Er hatte geglaubt, sie einzig durch Hass überwinden zu können. Wenn dieses Bollwerk nachgab, würde er der Versklavung verfallen, und er hatte sich geschworen, sich nie von einer Frau versklaven zu lassen. Und nun geschah es ihm, wenn er sich gewisse Nuancen ihres Lächelns, gewisse Blicke vergegenwärtigte, dass er sich krank wie ein Jüngling fühlte. Seine einstige Gehemmtheit überkam ihn von neuem. Verdorben durch ein lockeres Leben, in dem er mehr Abscheu als Befriedigung empfunden hatte, zweifelte er, einen solchen Augenblick übernatürlicher Harmonie im Verlauf einer körperlichen Vereinigung mit einem jener verhassten und verachtenswerten Geschöpfe genossen zu haben, die in seinen Augen die Frauen waren. Sollte man sich eingestehen, dass dies die sogenannte Liebe war? Oder war es nur ein Trugbild? Die Angst zu versagen, quälte
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