Angerichtet
lassen, hing glatt nach unten, einer der beiden hielt ihn am Oberarm fest. Auch Serges SohnRick wurde festgehalten, vielleicht nicht gar so fest, einer der Franzosen hatte ihm eine Hand auf die Schulter gelegt, als würde er keine Gefahr mehr abgeben.
Eigentlich war es vor allem Beau, der adoptierte Sohn aus Burkina Faso, der über das Hilfsprogramm für sein Schulgebäude mit Wellblechdach und seine neuen Eltern, mit einem Zwischenstopp in den Niederlanden, inmitten der Niederländer in der Dordogne gelandet war, der nun in Schach gehalten werden musste. Er trat und schlug um sich, zwei weitere Franzosen hatten ihm die Arme auf den Rücken gedreht und brachten ihn schließlich zu Boden, mit dem Gesicht ins Gras des Gartens meines Bruders.
»Messieurs …! Messieurs!«, hörte ich Serge rufen, während er mit großen Schritten zu der Gruppe eilte. Doch offenbar hatte er bereits eine ordentliche Ladung Wein aus der Region intus, denn ein aufrechter Gang fiel ihm sichtlich schwer. »Messieurs! Qu’est-ce qui se passe?«
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13
Ich war auf der Toilette gewesen, doch als ich zurückkam, war der Hauptgang noch immer nicht da. Allerdings stand eine neue Flasche Wein auf dem Tisch.
Auch über die Ausstattung der Toilettenräume hatte man sich offensichtlich Gedanken gemacht, fraglich war jedoch, ob Bezeichnungen wie »Toilette« oder »WC« überhaupt noch zutreffend waren. Überall plätscherte Wasser, nicht nur über die Pinkelwand aus rostfreiem Edelstahl, sondern auch über die mannshohen, in Granit eingefassten Spiegel. Man könnte sagen, dass alles in diesem Restaurant eine Linie hatte. Die Linie in dem zum Zopf zusammengebundenen Haar der Bedienungen, die schwarzen Bistroschürzen, die Art-déco-Lampe über dem Stehpult, das Fleisch von Biohöfen, der Streifenanzug des Maître d’hôtel – nur wurde nirgends richtig deutlich, welche Linie nun genau damit gemeint war. Man konnte es ungefähr mit diesen Designerbrillen vergleichen, Brillen, die die Persönlichkeit des Trägers nicht wirklich unterstreichen, sondern ganz im Gegenteil, da sie zunächst das Interesse vollkommen auf sich lenken: Ich bin eine Brille, wehe du vergisst das!
Ich hatte eigentlich nicht wirklich zur Toilette gemusst, ich wollte nur mal kurz verschwinden, weg von unserem Tisch mit dem Gequatsche über Filme und Urlaubsziele, doch als ich mich dann, der Form halber, vor die Pinkelwand aus rostfreiem Edelstahl platziert und den Hosenlatz geöffnet hatte, bewirkten das plätschernde Wasser und die leise dahinrauschende Pianomusik, dass ich einen starken Drang verspürte.
Und genau in diesem Moment hörte ich, wie die Tür geöffnet wurde und ein neuer Besucher die Toilettenräume betrat. Bei mir ist es nicht etwa so, dass ich plötzlich nicht mehr pinkeln könnte, wenn ich mich mit einer weiteren Person in demselben Raum befinde, doch es dauert einfach länger. Es dauert vor allem länger, bis ich mit dem Pinkeln anfangen kann. Innerlich verfluchte ich mich, weil ich nicht eine geschlossene Toilette mit Klosettbecken aufgesucht hatte.
Der neue Besucher hüstelte ein paar Mal, zudem summte er noch eine Melodie, die mir ziemlich bekannt vorkam und in der ich kurz darauf »Killing Me Softly« erkannte.
»Killing Me Softly With His Song« … von … verdammt, wie hieß die noch mal …? Roberta Flack! Endlich! Ich schickte ein Stoßgebet zum Himmel, damit dieser Mann ja eine Toilettenkabine aufsuchte, doch aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, wie er sich nur knapp einen Meter neben mich vor die Pinkelwand stellte. Er machte die üblichen Bewegungen, und auf Anhieb erklang das helle Geräusch eines kräftigen Strahls, der gegen das an der Wand hinunterlaufende Wasser spritzte.
Es handelte sich um die Sorte Strahl, die ganz besonders von sich selbst angetan ist, ein Strahl, der nichts lieber will, als seine unverwüstliche Gesundheit zu präsentieren, und der wahrscheinlich früher in der Grundschule auch schon dem Jungen gehört hatte, der von allen am weitesten pissen konnte, in einem Bogen bis auf die andere Seite des Bachs.
Ich warf einen Blick zur Seite und erkannte in dem Produzenten des Strahls den Mann mit dem Bart wieder; den Mann mit dem Bart, der am Tisch neben uns mit seiner viel zu jungen Freundin saß. Auch der Mann schaute in diesem Moment zur Seite. Wir nickten uns zu, wie man das so macht, wenn man mit einem Meter Abstand nebeneinandersteht und pinkelt.Der Mund des Mannes verzog sich zu einem Grinsen. Einem
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