Angerichtet
nach Claire und entdeckte sie an dem Tisch mit dem Käse – und in demselben Moment trafen sich unsere Blicke.
Sie befand sich im Gespräch mit der arbeitslosen Schauspielerin und schaute mich unglücklich an. Auf Festen bei uns daheim in den Niederlanden bedeutete dieser Blick immer: »Können wir bitte nach Hause gehen?« Aber wir konnten nicht gehen, wir waren dazu verdammt, bis zum bitteren Ende mitzumachen. Morgen durften wir weg. Hilfe, sagte Claires Blick jetzt nur.
Ich machte eine Geste, die meiner Schwägerin vermitteln sollte, dass ich jetzt gerade nicht, aber später ganz bestimmt mit ihr auf dem Rasen tanzen würde, und ging in RichtungKäsetisch. »Allez souriez, Milord …! Chantez, Milord!«, sang Edith Piaf. Natürlich würden sich in der Dordogne unter den vielen Niederländern mit Zweithäusern auch immer unbelehrbare Typen befinden, überlegte ich. Typen, die den Kopf in den Sand steckten, zu denen es einfach nicht durchdringen wollte, dass sie hier unerwünschte Eindringlinge waren. Die sich weigerten, die Zeichen zu lesen, und darauf beharrten, dass es sich bei all den eingeworfenen Fenstern, der Brandstiftung und den verprügelten und angefahrenen Landesgenossen nur um das Werk »einer zu vernachlässigenden Minderheit« handele. Vielleicht mussten die letzten holländischen Sturköpfe noch etwas gewaltsamer aus ihren Träumereien geholt werden.
Ich musste an Straw Dogs – Wer Gewalt sät denken und an Deliverance – Beim Sterben ist jeder der Erste , zwei Filme, die mir immer in den Sinn kamen, wenn ich mich auf dem Land befand, jedoch hier, in der Dordogne, auf dem Hügel, auf dem mein Bruder und seine Frau sich ihr »Französisches Paradies«, wie sie es selbst nannten, erschaffen hatten, war es noch schlimmer als sonst. In Straw Dogs gehen die Einheimischen, nach anfänglichen Schikanen, zu grauenhaften Racheakten gegen Neuankömmlinge über, die angenommen hatten, ein schönes Häuschen auf dem schottischen Land erstanden zu haben. In Deliverance sind es amerikanische Hinterwäldler, die die Bootstour einer Gruppe von Städtern aufmischen. In beiden Filmen werden Vergewaltigungen und Mord nicht gescheut.
Die Schauspielerin musterte mich zunächst von Kopf bis Fuß, bevor sie das Wort an mich richtete. »Ihre Frau hat mir gerade erzählt, dass Sie uns morgen verlassen werden.« Ihre Stimme klang künstlich süß, wie der Süßstoff in Cola light, oder die Füllung von Diabetikerbonbons, die laut Packung nicht dick machen sollen. Ich sah zu Claire, die die Augen kurz zum sternenübersäten Himmel verdrehte. »Und dann auch noch nach Spanien.«
Ich musste an meine Lieblingsszene aus Straw Dogs denken.Wie klänge diese gekünstelte Stimme, wenn ihre Besitzerin von ein paar betrunkenen französischen Maurern in einen Schuppen gezerrt würde? Vollkommen besoffen würden sie nicht einmal mehr den Unterschied zwischen einer Frau und einer Ruine wahrnehmen, von der nur noch die Außenwände standen. Ob diese Frau ihren Text noch immer parat hätte, wenn sich die Maurer über die längst fällige Instandhaltung hermachten? Käme ihre natürliche Stimme wieder zum Vorschein, wenn Lage für Lage abgetragen würde?
In diesem Moment kam es zu einem Tumult am Rande des Gartens, nicht an der dunklen Gartenseite mit den Sträuchern, wo der Choreograf dem Jüngeren des Autorenpärchens an die Wäsche gegangen war, sondern näher am Haus, beim Pfad, der zur Landstraße führte.
Es waren ungefähr fünf Männer. Franzosen, sah ich sofort, auch wenn schwer zu sagen war, woran man das so schnell ausmachen konnte: wahrscheinlich war es die Kleidung, die zwar etwas ländlich wirkte, aber nicht so vorgetäuscht lässig und schludrig wie die Kleidung der Niederländer, die hier Frankreich spielten. Einer der Männer hatte ein Jagdgewehr über der Schulter hängen.
Vielleicht hatten die Kinder wirklich etwas gesagt oder sich zwischendurch die Erlaubnis geholt, das Fest verlassen zu dürfen und »ins Dorf« zu gehen, wie unser Michel auch am nächsten Tag noch behauptete. Andererseits hatte ich sie die vergangenen Stunden auch nicht wirklich vermisst. Serges Tochter, Valerie, hatte den Großteil des Abends in der Küche vor dem Fernseher gehockt; irgendwann hatte sie uns allen Gute Nacht gesagt, und auch ihr Onkel Paul hatte zwei Küsse auf die Wangen bekommen.
Jetzt stand Michel zwischen zwei Franzosen, den Kopf hielt er gebeugt, das schwarze Haar, das er sich im Sommer bis auf die Schultern hatte wachsen
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