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Angerichtet

Angerichtet

Titel: Angerichtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Koch
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Foto für seine Wahlkampagne: Serge Lohman, der Kandidat fürs Volk, mit einer Schubkarre, einer Säge und dicken Holzklötzen, ein normaler Mann wie jeder, mit dem kleinen Unterschied, dass sich normale Männer kein Zweithaus in der Dordogne leisten können. Möglicherweise war dies auch der Hauptgrund dafür, weswegen er die Presse nie auf sein »Landgut«, wie er es nannte, gelassen hatte. »Das hier ist mein Ort«, sagte er. »Mein Ort für meine Familie. Das hier geht niemanden etwas an.«
    Wenn er einmal gerade keine Dachziegel karrte oder Holz sägte, war er mit Beerenpflücken beschäftigt. Johannisbeeren und Brombeeren, aus denen Babette Marmelade machte: mit einem Bauerntaschentuch um den Kopf gebunden war sie tagelang damit beschäftigt, warme, klebrig süß riechende Substanz in massenhaft Weckgläser abzufüllen. Claire blieb nichts anderes übrig, als zu fragen, ob sie helfen könne, genau wie ich mich dazu verpflichtet gefühlt hatte, Serge bei den Dachziegeln zu helfen. »Kann ich dir vielleicht helfen?«, hatte ich ihn nach der siebten Schubkarre gefragt. »Na, da sage ich doch nicht Nein«, hatte er geantwortet.
    »Wann dürfen wir hier wieder weg?«, fragte Claire mich abends im Bett, als wir endlich alleine waren und uns nahe aneinanderkuscheln konnten – nicht zu nahe, denn dafür war es zu heiß. Ihre Finger waren von den Brombeeren ganz blau gefärbt, das Blau befand sich in einer dunkleren Variante auch in ihrem Haar und als Streifen auf den Wangen.
    »Morgen«, sagte ich. »O nein, ich meine übermorgen.«
    An unserem letzten Abend luden Serge und Babette ein paar Freunde und Bekannte zu einem Essen im Garten ein. Es waren allesamt niederländische Freunde und Bekannte, unter ihnen befand sich kein einziger Franzose, und sie alle besaßenein Zweithaus in der Gegend. »Macht euch keine Sorgen«, sagte Serge. »Einfach nur ein kleiner Kreis. Alles nette Leute, wirklich.«
    Siebzehn Niederländer, uns drei nicht mitgerechnet, standen dann abends mit Gläsern und Tellern in der Hand im Garten. Es gab eine etwas ältere Schauspielerin (»ohne Job und ohne Mann«, wie Claire mich am nächsten Morgen aufklären konnte), dann noch einen spindeldürren pensionierten Choreografen, der ausschließlich Vittel-Wasser aus Halbliterflaschen trank, die er selbst mitbrachte, und ein schwules Autorenpärchen, das unentwegt aneinander herummäkelte.
    Babette hatte ein Buffet aufgebaut, mit Salaten, französischem Käse, Würstchen und Baguette. Serge widmete sich dem Grill, er hatte eine rot-weiß-karierte Schürze vorgebunden und grillte Hamburger und Zigeunerspießchen. »Die Kunst des Grillens liegt in der richtigen Glut«, hatte er ein paar Stunden vor dem Essen zu mir gesagt. »Der Rest ist Peanuts.« Ich erhielt den Auftrag, trockene Zweige zu sammeln. Serge trank mehr als sonst, neben dem Grill stand eine Korbflasche mit Wein, vielleicht machte er sich mehr Gedanken über das Gelingen des Abends, als er zugeben wollte. »In Holland hocken sie jetzt alle vor ihren Kartoffeln mit Sauce«, sagte er. »Da darf man doch gar nicht dran denken. Das hier ist das Leben, Leute!« Mit der Fleischgabel zeigte er auf die Bäume und Sträucher, die den Garten vor unerwünschten Topfguckern schützten.
    Alle Niederländer, mit denen ich mich an diesem Abend unterhielt, hatten mehr oder weniger dieselbe Geschichte zu erzählen, oft sogar in denselben Worten. Sie beneideten ihre Landesgenossen, die aus Geldmangel oder sonstigen Verpflichtungen daheimgeblieben waren, nicht. »Wir leben hier wie Gott in Frankreich«, sagte eine Frau, die, wie sie berichtete, viele Jahre in der Industrie für Abmagerungsprodukte gearbeitet hatte. Ich dachte zuerst, sie habe witzig sein wollen, aber dann wurde mir klar: Sie meinte das wirklich ernst!
    Ich betrachtete die Gestalten mit ihren Weingläsern in der Hand, beleuchtet vom goldgelben Schein der zahlreichen Fackeln und Partylichter, die Serge an strategischen Plätzen im Garten verteilt hatte, und ich hörte die Stimme des alten Schauspielers aus dem Fernsehspot von vor zehn – oder waren es zwanzig? – Jahren. »Ja, es geht tatsächlich, leben wie Gott in Frankreich. Mit einem Glas Cognac und echtem französischen Käse …«
    Mir stieg auch wieder der Geruch von Boursin in die Nase, als hätte sich just in diesem Moment jemand ein Toast mit dem ekligsten aller französischen Käseimitationen bestrichen und würde es mir hinhalten. Es hatte aber auch mit dieser Kombination aus

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