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Angerichtet

Angerichtet

Titel: Angerichtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Koch
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unbedingt nötig im Besitz seines Handys blieb.
    »Nein, Papa, ist nicht nötig. Ich hole es mir einfach ab.«
    »Michel?«, fragte ich noch, aber er hatte die Verbindung bereits unterbrochen.
    »Scheiße!«, rief ich zum zweiten Mal an diesem Abend, und in dem Moment sah ich Claire und Babette, die hinter der mannshohen Hecke hervorkamen. Meine Frau hatte einen Arm um die Schulter ihrer Schwägerin gelegt.
    Es dauerte nur ein paar Sekunden. Während dieser Sekunden überlegte ich, einen Schritt nach hinten zu treten, damit ich von den Sträuchern verdeckt wurde. Aber dann fiel mir ein, weshalb ich eigentlich in den Garten gegangen war: Um Claire und Babette zu suchen. Die Situation hätte verfahrener sein können. Claire hätte mich mit Michels Handy am Ohr erwischen können. Sie hätte sich dann bestimmt gefragt, warum ich hier draußen vor dem Restaurant stand und – im Geheimen – telefonierte.
    »Claire!« Ich winkte. Dann ging ich ihnen entgegen.
    Babette tupfte sich zwar noch die Nase mit einem Taschentuch ab, doch offensichtlich gab es keine Tränen mehr. »Paul …«, sagte meine Frau.
    Sie sah mir ins Gesicht, als sie meinen Namen nannte. Sie verdrehte erst die Augen zum Himmel und seufzte danach gespielt. Ich wusste, was das bedeuten sollte, weil ich es schonöfter bei ihr gesehen hatte – unter anderem das Mal, als ihre Mutter im Altenheim eine Überdosis Schlaftabletten geschluckt hatte.
    Es ist noch viel schlimmer, als ich gedacht hatte, sagten die Augen und der Seufzer.
    Jetzt sah auch Babette mich an und zerknäulte das Taschentuch in der Hand. »O Paul«, sagte sie. »Lieber, lieber Paul …«
    »Das … das Hauptgericht ist da«, sagte ich.

[Menü]
    19
    In der Herrentoilette war niemand.
    Ich machte alle drei Toilettentüren auf, doch es war niemand drin.
    Geht schon mal vor, hatte ich am Restauranteingang zu Claire und Babette gesagt. Fangt schon mal an, ich komme gleich.
    Ich ging in die Toilette, die am weitesten vom Eingang entfernt war, und schloss die Tür hinter mir ab. Zum Schein ließ ich die Hose herunter und setzte mich auf den Toilettensitz, allerdings mit Unterhose.
    Ich nahm Michels Handy aus der Tasche und schob den Slider hoch.
    Auf dem Display erschien ein Zeichen, das ich zuvor noch nicht gesehen hatte – im Garten eben war es mir nicht aufgefallen.
    Unten im Display leuchtete ein weißes Fenster:
    2 Anrufe in Abwesenheit
Faso
    Faso? Wer um Himmels willen hieß bloß Faso?
    Es klang wie ein Fantasiename, ein Name, den es nicht wirklich gab …
    Plötzlich kam ich drauf. Natürlich! Faso! Faso war der Spitzname, den Michel und Rick ihrem Quasicousin beziehungsweise adoptierten Quasibruder gegeben hatten. Wegen seiner Herkunft. Und wegen seines Vornamens: Beau.
    Beau Faso. B. Faso aus Burkina Faso.
    Sie hatten vor ein paar Jahren damit angefangen: Zumindest hatte ich es da zum ersten Mal mitbekommen, dass sie diesen Spitznamen verwendeten. Es war auf einer Geburtstagsfeier von Claire. »Du auch noch, Faso?«, hatte Michel gesagt und Beau eine rote Plastikschüssel mit Popcorn unter die Nase gehalten.
    Und Serge, der in der Nähe stand, hatte es auch gehört. »Aber bitte, ja«, sagte er. »Hör auf damit, er heißt Beau.«
    Beau hatte offenbar keine Probleme mit seinem Spitznamen. »Es ist schon okay, Papa«, sagte er zu meinem Bruder.
    »Nein, es ist nicht okay«, sagte Serge. »Du heißt Beau. Faso! Ich weiß nicht, mir kommt das einfach … mir gefällt es nicht.«
    Wahrscheinlich hatte Serge »Mir kommt das einfach diskriminierend vor« sagen wollen, hatte es sich aber gerade noch verkniffen.
    »Aber alle haben doch einen Spitznamen, Papa.«
    Alle. Das war es, was Beau wollte. Er wollte so sein wie alle.
    Danach hatte ich nur noch selten gehört, dass Michel und Rick den Spitznamen im Beisein anderer benutzten. Doch offenbar existierte er weiterhin und hatte es bis in das Telefonbuch von Michels Handy geschafft.
    Weshalb hatte Beau/Faso Michel angerufen?
    Ich konnte die Mailbox anrufen, um zu hören, ob er eine Nachricht hinterlassen hatte, aber dann wüsste Michel sofort, dass ich in seinem Handy herumgeschnüffelt hatte. Wir waren beide bei Vodafone, den Text der Mailboxansagerin kannte ich auswendig. »Sie haben eine neue Nachricht« verwandelte sich nach dem ersten Abhören in »Sie haben eine alte Nachricht«.
    Ich drückte auf den Menüknopf, klickte mich durch zu »Meine Bilder« und von dort zu Videos.
    Ich konnte wählen zwischen: 1. Videos, 2. Video downloads und

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