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Angerichtet

Angerichtet

Titel: Angerichtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Koch
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erinnert, als ich damals noch in die Oberschule ging. Daran, was mich wirklich interessiert hat. Das war mein Ausgangspunkt.«
    Der Rektor lächelte und lehnte sich auf seinem Schreibtischstuhl zurück. Bei ihm geht das mit dem Zurücklehnen, dachte ich. Und ich muss hier kerzengrade sitzen.
    »Ich erinnere mich aus meinem Geschichtsunterricht in der Oberschule vor allem an die alten Ägypter, die Griechen und die Römer «, sagte ich. »Alexander der Große, Kleopatra, Julius Cäsar, Hannibal, das Trojanische Pferd, der Feldzug mit den Elefanten über die Alpen, die Seeschlachten, die Gladiatorenkämpfe, die Wagenrennen, spektakuläre Morde und Selbstmorde, der Ausbruch des Vesuv, aber andererseits auch an die Schönheit, die Schönheit der Tempel und Arenen und Amphitheater, die Fresken, Badehäuser, die Mosaike, eine Schönheit für die Ewigkeit, es liegt an den Farben, weshalb wir heute noch immer lieber am Mittelmeer Urlaub machen als in Manchester oder Bremen. Doch dann kommt das Christentum, und alles stürzt allmählich in sich zusammen. Am Ende ist man schließlich froh, dass die sogenannten Barbaren alles kurz und klein schlagen. Daran kann ich mich noch erinnern, als sei es gestern gewesen. Und woran ich mich auch noch erinnere, ist, dass danach eine ganze Weile nichts kam. Das Mittelalter ist, wenn man es genauer betrachtet, eine widerwärtige, rückständige Epoche, in der außer ein paar blutigen Belagerungen nicht so fürchterlich viel passiert ist. Und dann die Geschichte der Niederlande! Der Achtzigjährige Krieg, ich kann mich jetzt noch daran erinnern, dass ich gehofft habe, die Spanier würden gewinnen. Als Wilhelm von Oranien erschossen wurde, flackerte kurz ein Hoffnungsschimmer auf, doch dann ist es dieser Bande von Glaubensfanatikern schließlich doch noch gelungen, den Sieg einzuheimsen. Und damit versanken die Niederlande und Belgien endgültig in Finsternis. Ich kann mich vor allem daran erinnern, wie uns unser Geschichtslehrer jahraus, jahrein den Zweiten Weltkrieg wie eine fette Wurst vor die Nase gehalten hat. »In der zwölften Klasse nehme ich den Zweiten Weltkrieg durch«, hat er gesagt, doch als wir dann in der Zwölften waren, waren wir noch immer bei Wilhelm dem Ersten und der Abspaltung von Belgien. Bis zum Zweiten Weltkrieg sind wir nie gekommen. Ein paar Worte noch über die Schützengräben, als kleiner Vorgeschmack. Nur war der Erste Weltkrieg abgesehen von der massenhaften Menschenvernichtung doch in erster Linie langweilig. Die Sache hatte gar keinen Drive. Es passierte zu wenig. Später habe ich dann gehört, dass das immer so lief. Bis zum Zweiten Weltkrieg kam man nie. Die interessanteste Periode der vergangenen fünfhundert Jahre, auch für die Niederlande, denn seit die Römer beschlossen hatten, dass das Land nichts für sie war, ist hier bis zum Mai 1940 an sich nichts Bemerkenswertes mehr passiert. Ich meine, von wem spricht man denn, wenn man im Ausland über die Niederlande spricht? Von Rembrandt. Von Vincent van Gogh. Von Malern. Die einzige Person, die einen internationalen Durchbruch geschafft hat, um es einmal so auszudrücken, ist Anne Frank.«
    Wiederholt verschob der Rektor das Blatt auf dem Schreibtisch und fing an, in etwas herumzublättern, das mir irgendwie bekannt vorkam. Es befand sich in einem Schnellhefter, so ein Exemplar mit einem durchsichtigen Deckblatt, in denen Schüler für gewöhnlich ihre Arbeiten abheften.
    »Sagt dir der Name (…) etwas, Paul?«, fragte er.
    Er nannte den Namen einer Schülerin aus meiner Klasse. Den Namen der Person lasse ich hier extra weg. Ich habe mir damals vorgenommen, ihn zu vergessen. Und das ist mir auch geglückt.
    Ich nickte.
    »Und weißt du auch noch, was du zu ihr gesagt hast?«
    »So in etwa«, sagte ich.
    Er klappte den Schnellhefter wieder zu und legte ihn zurück auf den Schreibtisch.
    »Du hast ihr eine Fünf gegeben«, sagte er, »und als sie dich fragte wieso, da hast du geantwortet –«
    »Die Fünf war vollkommen gerechtfertigt«, sagte ich. »Das war wirklich eine schlampige Arbeit. Mit einem derartigen Niveau kann man bei mir nicht punkten.«
    Der Rektor lächelte, aber sein Lächeln war fadenscheinig, ein eingefrorenes Lächeln, wie saure Milch. »Ich muss dir gestehen, dass ich von der Qualität der Arbeit auch nicht sonderlich beeindruckt war. Aber es geht um etwas anderes, es geht darum …«
    »Außer dem Zweiten Weltkrieg nehme ich auch noch einen großen Teil der Geschichte danach durch«,

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