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Angezogen - das Geheimnis der Mode

Angezogen - das Geheimnis der Mode

Titel: Angezogen - das Geheimnis der Mode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Vinken
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Unterwäsche und Arbeitskleidung der Arbeiter. Die Sportswear weist in Richtung des Landadels, der jagte, fischte, ritt, aber sicher keinen Büroalltag kannte. Der Hauch Ethno, der die Aura des Handgemachten und nicht industriell Hergestellten vermittelt, signalisiert, dass man alles Mechanische ablehnt und auf vormoderne Produktionsformen zurückgeht. Und das Fundstück zeigt, dass man nicht stupide von der Stange kauft, sondern sich als Jäger und Sammler betätigt.
    So ist für die weibliche Mode seit den späten Achtzigern jedes Unterlaufen von Etikette zur neuen Norm avanciert und das Passende, Angemessene an sich als Norm kollektiv verworfen worden: mix and match. Die Konformität des Nonkonformen ist in »Parka und Abendkleid« zum Klischee geronnen.Mischen soll man high and low, Billiges und Teures, hauchzarte Spitze mit robustem Industriedesign, Proenza Schouler mit Zara, Armani mit H&M, Chanel mit Adidas, Springerstiefel mit Tüllrock. Aber auch Abendtoilette mit Arbeitskleidung, Smoking mit Jeans, Pailletten und Tüll mit grobmaschiger Wolle, ein Cocktailkleid mit Turnschuhen, martialische Ankle-Boots zu einem Ballerina-Outfit tragen. Auf eleganten Abendeinladungen heißt das dann »white tie« (das ist er) und »Phantasia« (das ist sie). Er ist an die Norm gebunden; sie, von Normen frei, muss sich ständig als ästhetisches Objekt erfinden. Ein Kostüm, in dem Jacke und Rock zusammenpassen, wirkt angestrengt altmodisch. Es geht höchstens, wenn der Designer selbst schon Patchwork hineingearbeitet und das Ganze so bereits etwas Zusammengewürfeltes, Beliebiges hat. Dieses Prinzip hat sich Desigual – ungleich – mit dem Firmennamen auf die Fahnen geschrieben. Der Stil der Stillosigkeit will mit Gespür gepflegt werden.
    Darin definiert sich die weibliche Mode nicht nur als das krasse Gegenteil der vergangenen Moden, die den Tag zwischen Morgentoilette, Cocktail- und Abendgarderobe und mit der strengen Trennung von Haus und Straße zu einer einzigen Umziehorgie machten und alles Unpassende streng ahndeten. Anna Karenina wäre selbstverständlich nie zu Tisch gegangen, ohne sich umzuziehen. Das Gebot der Stunde liegt darin, frei von allen Konventionen ganz man selbst zu sein: eine vorgeschriebene, verordnete dauernde Revolution, die alles Bestehende umwälzt und allen Vorschriften und Verordnungen den Garaus machen will. Diese neue Art, sich anzuziehen, setzt sich auch von Vorstellungen des Gesamtkunstwerks ab, wo die Frau sich nahtlos in ihre Umgebung einfügte, ihr Stoffmuster mit der Tapete korrespondierte. Die moderne Frau ist eben befreit und solchen Zwängen unemanzipierter Weiblichkeit nicht unterworfen.
    Gleichzeitig hebt sie sich im Mix-and-match von der uniform geprägten, durch die Trennung von Arbeit und Freizeitnormierten männlichen Arbeitskleidung ab, die der casual Friday nur bestätigt. Deshalb sind politische Statements in der Männermode so viel leichter als in der Frauenmode. Das amerikanische Abgeordnetenhaus schreibt den Anzug für seine männlichen Mitglieder vor. Als Abgeordnete im Frühjahr 2012 aus Protest gegen den Umgang der Justiz mit dem weißen Mörder eines jungen Schwarzen in Florida in unter den Sakkos versteckten Kapuzenpullovern im Parlament erschienen – Hoodies, wie der Junge einen trug, als er ermordet wurde –, sagte das mehr als alle Worte.
    Zwei Absetzbewegungen bestimmen die neuere weibliche Mode: Man setzt sich zum einen von »Weiblichkeit« ab. Überschreitung der immer wieder neu als einengend empfundenen Normen der Weiblichkeit ist das Wesen der Mode. Sich »als Frau« anzuziehen heißt nur immer neu, sich altmodisch anzuziehen. Folglich müssen ständig neue Moden her. Zum anderen aber will man Frau bleiben und sich nicht nur als Individuum, sondern als Geschlechtswesen aus dem Männerkollektiv herausheben. Wurden die Männer seit Reformation und Revolution zu neuen Menschen, die ihre Individualität auf Kosten des Ausstellens des geschlechtlichen Körpers betonten, so wurde für die Frauen das neue Menschsein ein Problem. Im Französischen und Englischen sind schon sprachlich die Menschen schlicht Männer. Um sich von »der Frau« abzusetzen, macht man als Frau Anleihen bei den Männern, dies aber mit einem Twist, denn als Mann unter Männern will man und kann man sich natürlich nicht anziehen. Nur kurzfristig und vorläufig gelingt so das Entwerfen einer »neuen Weiblichkeit«, die schon bald wieder verworfen werden muss, weil sie zur alten geworden

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