Angor - Schatten der Vergangenheit (Kriminalroman)
ihres eigenen Rachedurstes und keinen Deut besser als die verblendeten Nazischergen. Wenn diese Handlungen durch internationales Völkerrecht abgesichert sind, dann werden alle guten moralischen und ethischen Errungenschaften, welche der Menschheit über Jahrhunderte zuteilwurden, hier wieder mit Füßen getreten. Es kann kein Recht sein, beileibe nicht. Der Krieg ist vorbei, also kann sich niemand mehr auf Kriegsrecht berufen.
Welche gesellschaftlichen Konventionen, welches anwendbare Recht gelten in diesen Tagen? Ich kann derzeit keine Antwort finden und will es auch nicht mehr weiter vertiefen.
Meine grenzenlose Verbitterung hat aber hier in Paris ihren Siedepunkt erreicht.
Franzosen jagen Franzosen, es sind in keiner Weise legale Säuberungsaktionen gegen Kollaborateure. Nach Wochen der Befreiung finden hier immer noch Gewaltorgien statt.
Frauen werden auf brutalste Weise die Köpfe kahlgeschoren und wie Tiere durch die Straßen gejagt. Hatten die Frauen wirklich intime Beziehungen zu Deutschen? Was haben sie denn verbrochen? Ein jeder wollte doch nur irgendwie überleben. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie ein junger Mann von einem Gendarmen in Uniform einfach so hingerichtet wurde. Er hat ihn, für was auch immer, auf offener Straße abgeurteilt. Der Mob bejubelte sein Handeln, ich ertrage es einfach nicht mehr. Wo ist die legitimierte Ordnungsmacht und Gerichtsbarkeit, welche Recht und Ordnung für alle Bürger durchsetzt.
Die früh eingesetzten Sondergerichte versagen gänzlich. Hier werden keinerlei seriöse Ermittlungen durchgeführt. Willkürlich werden mutmaßliche Kollaborateure gebrandmarkt und ohne gerechtes Gerichtsverfahren bestraft.
Hier kann man sich unliebsamer Konkurrenten, Nebenbuhler oder auch de s grantigen Nachbarn recht einfach entledigen. Das Denunziantentum geht durch alle Bevölkerungsschichten, niemand ist wirklich sicher. Ich habe gedacht, die Pariser würden feiern, sich freuen und in den Armen liegen … dass das vermeintlich Böse diese wundervolle Stadt verlassen hat. Hass und Verblendung bestimmen die Tagesordnung, niemand scheint Grenzen ziehen zu wollen. Wer ist hier Opfer und wer ist Täter? Ich denke, es wird Jahre dauern, bis ein rationales Denken und Handeln einsetzen wird.
In großen Teilen Europas werden derartige und noch schlimmere Gräueltaten folgen. Für meinen Teil w erde ich mit allem abschließen. Eine unbändige Verzweiflung hat von mir Besitz ergriffen. Gestern habe ich meine Pistole derart fest an meine Schläfe gedrückt, dass dieser kreisrunde Abdruck meines Laufes tagelang zu sehen sein wird. Dann steckte ich den Lauf in meinen Mund, ich schmeckte nichts Metallisches. Es kam nur ein bitterer Leichengeschmack hoch, als wenn die von mir Getöteten sich in meinen Mund ausbreiteten. Ich sehe meine Hände, sie sind blutrot. Mein Kopf ist absolut leer, und ich bin feige und handlungsunfähig.
Wenn ich jetzt weitermachen sollte, würde auch bei mir ein moralischer Kollaps einsetzen, und ich würde vielleicht mit dem Mut der Verzweiflung doch noch abdrücken.
Mein künftiger Weg wird ein anderer sein.
Ich werde der britischen Krone und niemand anderem jemals wieder dienen, zumindest nicht gegen alle Vernunft und mein Gewissen.
Vielleicht werde ich mich in die schottischen Highlands, in unberührte Natur zurückziehen und versuchen , mein altes seelisches Gleichgewicht zurückzuholen. Guter Dinge bin ich nicht, wahrscheinlich wird meine verrohte Persönlichkeit dort begraben werden.
Ich will, dass diese schließenden Worte, meinem Abschlussbericht angehangen bleiben!
So werden wenigstens ein paar Zeilen von mir für die Ewigkeit dokumentiert.
All meine verfassten Berichte haben Bestand, sie werden für lange Zeiten archiviert. Alles andere wird sich in Luft auflösen, nichts von dem, was ich auf fremden Boden getan habe, hat wirklich Bedeutung. Mein Abschiedsgesuch geht an anderer Stelle ein. Meine letzten Tage hier sind ausschlaggebend dafür, dass ich der „//////////////////////“ definitiv nicht mehr angehören werde. Ich sehe in nichts mehr einen Sinn!
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P. S. Verehrter ////////////////// ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie alles Gute für die Zukunft. Bleiben Sie mir wohlgesonnen, aber das müssen Sie ja wohl oder übel auch …“
Raven legte den angegilbten Pappordner auf den Couchtisch. Er hatte diese letzten Seiten nun schon zigmal gelesen. Nolan saß ihm gegenüber und wartete
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