Angriff der Killerkekse. Unglaubliche Reportagen und atemlose Geschichten (German Edition)
mehrmals kräftig »Wir sind Papst« , spreche in Zungen und segne die Menge, dann inspiziere ich das Fenster, von dem ich die Besucher grüßen werde. Da braust auch schon das Papamobil herbei, um meine wunden Füße zu schonen. Schweizergardisten in bunt gestreiften Pump- und Pluderhosen hüpfen und springen als farbenprächtige Leibwächter um mich herum. Freudig singen die Burschen »My baby, baby, balla, balla« , während sie mir als ihr frisch gebackenes Oberhaupt den Weg frei räumen. Die Jungs sind begeistert, sie haben wieder eine sinnvolle Beschäftigung. Tröt, trööt, tröööt: Bahn frei für den neuen Papst!
Schranzen und Mitglieder des päpstlichen Hofstaates eilen herbei: purpurne Palastkardinäle, pralle Prälaten, Geheime Kammerherren mit Schwert und Mantel, tänzelnde Zeremonienmeister, Ehrenkammerherren in violetter Uniform, nahezu unsichtbare Kapläne, mausgraue Beichtväter, Apostolische Prediger, kräftige Sänftenträger und der zackige Leiter der Vatikanpost verneigen sich vor mir als ihrem neuen Dienstherren und bitten: »Mach uns den Ratzinger!«. Ich lasse mich keinesfalls lumpen, und schon wiegen wir uns gemeinsam im Rock `n` Roll.
Ich rolle in den Petersdom, ein lang gestrecktes Aufmarschfeld für 60.000 Parteigänger. Vor Michelangelos »Pieta« verdaut verzückt furzend ein Michelin-Männchen. Besucher fotografieren sich vor Kunstwerken und küssen den Klumpfuß einer Petrusstatue, was Glück, Gesundheit oder eine gefährliche Masseninfektion beschert. Die Besucher wirken erschreckend ungläubig und beachten kaum den Aufmarsch des neuen Oberhauptes. Ich greife in die Taschen meines Ornats und hole eine Handvoll Kamelle hervor. Als die Leckereien auf den Marmor prasseln, fallen Mutti, Vati und Kind vor Prinz Karneval auf die Knie. Na, endlich! Anerkennend segne ich die kriechenden Gläubigen und grinse freundlich in ihre japanischen Digitalkameras.
Der Petersdom gefällt mir nicht. Alles wirkt irgendwie steril und langweilig. Wer bereits in religiösem Rausch hierher kommt, erlebt vielleicht himmlische Visionen oder mystische Momente. Mir fehlt historischer Puder, die ein oder andere schaurige Figur oder mindestens ein Totenkopf mit geheimnisvoll blinkenden Augen. Sphärische Klänge, uriger Kerzenschimmer und sakrale Düfte nach Weihrauch, Wachs und Weihwasser werden dringend benötigt. Das wird künftig geändert! Mir geht es um alles oder nichts: die Weltherrschaft des Katholizismus kann nur mit modernsten Methoden erzielt werden. Wahre Wunder werden benötigt! Es fehlen irre blickende Pilger, religiöse Eiferer mit goldenen Kreuzen, kriechende Büßer, nackte Nonnen, wilde Weiber, gefallene Engel, ekstatische Geissler, düstere Ketzer, feiste Prediger, fanatische Verkünder, blutige Kreuzritter, schleimige Ablasshändler, eherne Säulenheilige, wahnsinnige Wunderheiler … notiere: muss dringend verbessert werden, es besteht Handlungsbedarf!
Sobald wieder weißer Rauch aufsteigt, und ich offiziell Papst bin, wird das Ambiente radikal aufgewertet! Dann geht die Post »bei Peter« richtig ab, und ich eröffne das schillernde »Petrusland«. Ich sehe schon blinkende Buden à la »Hau den Apostel«, Geisterbahnen, die durch Katakomben rasseln, Bungee-Jumping von der Kirchenkuppel, Degustationsstuben für Messwein und Hostien, Lotterien mit Reliquien und Kirchenschätzen, einen Erlebnispark mit Kreuzigungszentrum, Scheiterhaufen zum Probeliegen, Auferweckungsstuben – und vor allem ein gewaltiges Medienzentrum. Dazu wird der Kirchenbann über den Spielfilm »Da Vinci Code« und seine literarische Vorlage »Sakrileg« sofort wieder aufgehoben und der Streifen nonstop gezeigt. Das spült noch mehr Geld in die Kassen des Vatikans und steigert die Stimmung der Massen.
Ein Papst muss durchgreifen können! Meine Visite hat sich damit voll gelohnt. Ja, wozu sind WIR schließlich Papst?
Im Schnäppchenfieber
Am Ausgang des Ladengeschäfts der für konstante Billigpreise berühmten hundertjährigen amerikanischen Kaufhauskette, die der Berliner liebevoll »Wulle« nennt, lehnt ein pickeliger Bubi. Der Schlacks verteilt mit verschwörerischer Miene klitzekleine Handzettel. Darauf steht, dass der Inhaber eines derartigen Papiers am nächsten Tag als Mitarbeiter angesehen wird und deshalb fünfzig Prozent Rabatt auf alle Waren bekommt. Nur Bücher, die im Sortiment keine Rolle spielen, seien ausgenommen. Wird Woolworth wahnsinnig?
Der Erfolg der
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