Angriff der Killerkekse. Unglaubliche Reportagen und atemlose Geschichten (German Edition)
zum entscheidenden Schlag. Da wittert der morgendliche Störenfried seine Chance, er steigt auf. Flink flattert der fahle Falter ins Licht.
Der ungebetene Körperfresser mit dem dicht behaarten Kopf ist gleichfalls erschreckt. Er wurde im Schlummer gestört von dem unsanften Eindringling, der früh zum Bademantel griff. Voll gestopft mit jenen Leckereien, die ihm die Wohnröhre des Ärmels bot, taumelt das Tier ans Tageslicht des Badezimmers. Die Motte ahnt wohl in den innersten Kammern ihres Instinkts, dass es um Grundsätze geht, und ihr das Erwachen schlecht bekommt. Ihr natürlicher Reflex heißt Flucht. Sie plumpst zu Boden, flattert heftig auf, steigt hoch empor, empor, empor und huscht in Richtung Fenster. Dort klatscht sie geblendet gegen die milchige Scheibe und schwirrt verwirrt auf und ab.
Eine ungestüme Verfolgungsjagd beginnt. Wer Bademäntel frisst, wer bei der Morgentoilette stört, wer Frühaufsteher jäh erschreckt, der hat seine Daseinsberechtigung verwirkt. Entschlossen stellt der Jäger seinem Opfer nach. Er steigt mit kühnem Schritt in die Badewanne, um ans Fenster zu gelangen. Verloren zappelt dort das Mottentier. Er triumphiert: Gib dich gefangen, Gevatter.
Schon stülpt er seine hohle Hand über den Schädling, um ihn zu fassen, da bäumt sich der mit wildem Flügelschlag auf. Der Fänger erschrickt ob der unerwarteten Gegenwehr. Er zuckt, er weitet seine Hand ein Stückchen, das reicht dem Untier, es entkommt. So geht es einmal, zweimal, die Hatz bleibt erfolglos. Nun stürzt auch schon ein Tiegel um. Die Karaffe mit der weissen Bademilch kippt gegen die Flasche mit dem rosa Schaumbad, beider Inhalt schleimt in die Wanne. Es tropft, es scheppert, und es klirrt. Rosenduft breitet sich aus. Die Motte steigt höher und beäugt den Schaden. Das macht den Weidmann richtig sauer, es reicht ihm wohl.
Der Verfolger erklimmt den Wannenrand. Sein Haupt gerät in eine langmähnige Pflanze, die aus lichten Höhen lustvoll rankt und ihm die klare Sicht auf sein Ziel nimmt. Er patscht nach rechts, er langt nach links, der Jäger ächzt, ein Glasbild schwingt. Der Falter lacht. Er höhnt den Häscher. Nun aber drauf: Plitsch, platsch, die Motte ist erwischt. Ein gut platzierter Streich schickt sie mit einem stolzen Farn, der im Wege steht, ein Stockwerk tiefer auf die Planken. Der Falter plumpst aufs Fensterbrett. Fahr hin, verfluchtes Flügelvieh!
Eins und zwei und drei und vier … klassischer Knockout in der dritten Runde … und fünf und sechs und sieben … Noch vor dem Schlussgong erwacht die Motte aus dem Koma und krabbelt auf dem Fenstersims umher. Dort finden sich auf einem Teppich von Ostseesand beschaulich dekoriert Muscheln, Korallen und Keramikfische. Bevor Hand an ihn gelegt werden kann, verbirgt der Falter sich flink in dieser Strandlandschaft. Jetzt aber Vorsicht! Es gilt, größeren Schaden zu vermeiden. Der Hausherr bremst sein Tempo. Ungeschick lässt grüßen. Hier dreinzuschlagen würde dem dekorativen Schaffen der Ehehälfte schaden, die im trauten Heim für Stillleben und Schönheit verantwortlich zeichnet. Vorsichtig tastet er deshalb zwischen den maritimen Exponaten, den Falter zu entdecken. Hinter einer scharfkantigen Muschel aus tropischen Meeren trifft er den Gegner. Der schnauft dort still und lauscht dem Rauschen des weiten Ozeans.
Des Fängers Hand schießt vor und will inmitten der Dekoration zupacken. Malheur! Die Muschel kippt. Die Motte macht sich schnell davon. Sie flieht in einen feschen Kugelfisch, der als Windlicht die Stimmung im Bade romantisch gestalten soll. Wie Jonas im Bauch des Walfisches fühlt sie sich dort geborgen. Das freut den Mann auf der Pirsch. Siegesgewiss greift er den feisten Fisch, der ihn mit seinem roten Kussmaul teilnahmslos anstarrt. Das Hinterteil der Keramik ist geöffnet. Hier taumelt die Motte in der schützenden Kathedrale und verbirgt sich hinter einem Teelicht.
Zu früh gefreut! Die Hand des Jägers ist zu breit, um in das Innere der lichten Kammer zu langen und den Flüchtling endgültig ins Jenseits zu befördern. Mit starken Händen greift er daher den Kugelfisch. Er rüttelt ihn wie ein fettes Sparschwein, in der ein einsames Geldstück purzelt. Das Teelicht scheppert, schrappt und schlägt, der Falter hält sich tapfer. Jetzt purzelt die Kerze auf den Fußboden, die Motte bleibt allein zurück im Bau. Jäger und Gejagter stehen sich erneut Auge in Auge gegenüber. Doch wie bekommt er das Vieh aus
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