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Angriff der Killerkekse. Unglaubliche Reportagen und atemlose Geschichten (German Edition)

Angriff der Killerkekse. Unglaubliche Reportagen und atemlose Geschichten (German Edition)

Titel: Angriff der Killerkekse. Unglaubliche Reportagen und atemlose Geschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Ruprecht Frieling
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den Zerreißproben einer Rabattschlacht unterzog: »Meine Frau weiß nie genau, was sie will. Erst wenn eine andere etwas Neues trägt, weiß sie es plötzlich und will es auch.«
     
    Der Wettlauf gegen die Zeit gewinnt zwischenzeitlich bei Wulle an Tempo: je später es wird, je geschrumpfter das Warengebirge, desto gröber die Umgangsformen. Verzweifelt werden im Gewühl andere Kunden gerempelt und zur Seite gestoßen. Wer spät kommt oder schwer begreift, will plötzlich unbedingt auch noch ein schönes Stück vom Kuchen. Im Rausch der Preise besteht Ansteckungsgefahr.
     
    Besonders rabiat erweisen sich dabei Spätgebärende, die ohne Rücksicht auf Verluste mit Kinderwagen im Format eines Nahkampfpanzers durch die engen Reihen rauschen. Wer im Wege steht, bekommt die resolute Power des deutschen Mutterschaftsordens in die Kniekehlen gerammt. Sollte eine Beschwerde oder ein falsches Wort geäußert werden, wird Mutti richtig böse. Dann ergießt sich Unflat über den Geschädigten wie der Inhalt von Nachttöpfen aus Fensterluken vor der Erfindung der Kanalisation. Gift und Galle werden auf die durch die Gassen hastenden Passanten gekippt. Klug handelt deshalb, wer rechtzeitig in Deckung geht, kommt ein rollendes Säuglingsheim in Sicht.
     
    Jede Kultur pflegt eigene Sitten. Käuferinnen aus Vorderasien kämpfen im Verbund. Sie reisen bevorzugt in Karawanen. Schließlich boten diese schon zu Zeiten des Propheten den besten Schutz beim Durchqueren unwirtlicher Weiten. Schwestern, Tanten und Cousinen ziehen mit in die Schlacht. Jedes Angebot wird eingehend untersucht und lautstark bewertet. Jede Entscheidung wird wortreich gewogen. Allah ist groß, und Geiz ist geil!
     
    Phonetisch übertroffen wird der Orient durch die stimmliche Vielfalt der Völker der geborstenen Sowjetunion. Knallbunt gefiederte Matkas aus den Teilen des versunkenen Reiches, in denen ein Schäferhund als Nachweis für die deutsche Staatsbürgerschaft genügt, organisieren sich über Handys und machen sich auch sonst stimmhaft bemerkbar. Bei diesen meist blondierten, grell geschminkten und lockend lackierten Scheindeutschen herrscht extremes Rudelverhalten vor. Geld spielt eine untergeordnete Rolle. Der reale Kapitalismus ist ein Disneyland für die Sinne. Olga, Lidia und Tamara sind permanent im Kaufrausch. Mit goldenen Ringen, Bändern und Ketten behängt wirkt diese Käuferschicht besonders begeistert, wenn es um die kleinen Preise geht. Denn dann gibt es besonders viel Ware fürs Geld.
     
    Ziel der Schnäppchenjägerinnen ist, das rattenschärfste Teil im Laden in der richtigen Größe und im Preis erheblich reduziert zu erbeuten. Sie kaufen keinesfalls aus Bedürftigkeit, als gelte es, des nahenden Winters eisigen Frost mit einem wärmenden Fetzen zu wehren. Viele kaufen aus schierem Vergnügen und geben dabei Geld aus, um Geld zu sparen. Mit diesem Widerspruch leben Millionen Mitmenschen bequem und unbekümmert. Ihr Verhalten wird begünstigt vom Preisverfall, der in Kaufhallen und Warenhäusern wie die Vogelgrippe um sich greift und den wirtschaftlichen Niederfall des Landes spiegelt.
     
    Möglicherweise ist bereits die gesamte Weiblichkeit am grassierenden Einkaufsfieber erkrankt. Dabei zeigen sich durchaus einheitliche Symptome. Jedes Mal kämpfen Frauen aus aller Herren Länder an Wühltischen um das vermeintlich letzte Hemd. Inzwischen versteht sich jede Monika Mustermann als Mutter aller Schnäppchen und tobt um die Regale auf der Suche nach billig, spottbillig, geschenkt. Die »Knüllerkiste« bilden ebenso wie »Rudis Reste-Rampe«, »MäcGeiz«, »Penny Markt«, »Biggi Billig«, und »Sonderposten« ihr bevorzugtes Revier. In diesen Ketten lässt sich besonders viel Ware für wenig Geld ergattern. Der Rausch der Preise fördert extremes Suchtverhalten.
     
    Alle Unternehmen passen ihr Warenangebot dem neuen Trend an. Indessen wird die Verpackung einer Ware bei Wulle gleich mit einem durchkreuzten »alten« Preis gedruckt. So entsteht der Eindruck, das Teil sei im Preis reduziert. Tatsächlich ist es ein optischer Hütchenspielertrick, der indes Wirkung zeigt. Alles muss raus, damit neue Ware fließen kann, die wiederum das Kaufinteresse stimuliert. Das aber funktioniert nur noch über ein immer zügelloseres Rabattsystem.
     
    Nimm drei, bezahl zwei, lockt das Warenmeer den Kunden. Zieh Bonuspunkte, wenn du mit dieser oder jener Karte zahlst, murmelt die Kasse. Sicher dir wertvolle Prämien und vermittele uns einen neuen

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