Angriff der Killerkekse. Unglaubliche Reportagen und atemlose Geschichten (German Edition)
unbeschadet überstanden.
Gut, hier und da schnieft, schnauft und schnupft es elendig, grüner Schleim tropft aus entzündeten Nasen, und feucht-fiese Niesssssssssser explodieren wie verzweifelte Selbstmordattentäter in unmittelbarer Nähe. Aber das scheint mir üblich in dieser Jahreszeit. Hauptsache, die gefürchtete Vogelgrippe verschonte unser Wohngebiet. Jetzt gilt es, in dieser Austastlücke der neuen Pest die in den letzten Monaten verbrauchten Eichhörnchenvorräte wieder aufzufrischen, Keller und Kasten zu füllen, um gegen den nächsten Angriff der Natur gewappnet zu sein. Auf in den Supermarkt! Per Kleinlaster wird geschleppt und gebunkert, was Haus und Hof fassen kann. Mit den Gänsen kommt auch die Konjunktur wieder in Fahrt. Schaut in meinen Warenkorb, dort wird es sichtbar: Die Binnennachfrage zieht an, denn auch die Vorräte einer von Viren belagerten Festung werden irgendwann einmal knapp. Doch was darf man noch kaufen und ungestraft verzehren?
Hühner- und Putenfleisch ist vermutlich zwischenzeitlich von verborgenen Pestviren verseucht, die den wenigen überlasteten Lebensmittelkontrolleuren entgangen sind. Deshalb lasse ich Geflügelprodukte links liegen. Schweinepest und Rinderwahn haben die Freude an Schnitzel und Braten verdorben. Dem Wildbret aus Deutschlands weiten Wäldern wurde Rattenfleisch beigemischt. Zu allem Überdruss bringt die Industrie zu Weihnachten ungenießbare Fleischabfälle auf den Tisch. Wer mag schon rückdatiertes Gammelfleisch erwerben? Ob australisches Kängurufleisch, afrikanischer Krokodilschwanz, chinesisches Welpengulasch oder japanischer Walspeck schmackhafte Alternativen sind, lasse ich dahingestellt. Fleisch ist derzeit jedenfalls nicht mein Gemüse.
Doch selbst dem Vegetarier wird das Überleben schwer gemacht. Obst und Gemüse sind schadstoffbelastet und verseucht. Zwar locken knallrote Tomaten und giftgrüne Paprika, doch wahrscheinlich stammt alles, was lecker aussieht, aus Frankensteins Laboren und wird auf verrottetem Fischmehl gezogen. Was lese ich Bedenkliches über Nitrate, Pestizide, Blei, Quecksilber, Cadmium und Salmonellen! Hinzu kommt die Globalisierung der Mikroben. Mit Erdbeeren aus Chile, Ananas aus Mexiko oder Salat aus Marokko reisen Bakterien aus fernen Ländern visafrei ein und verwandeln unseren Körpern in bakterielle Asylantenheime. In dieser Hinsicht reagiere ich ausnahmsweise fremdenfeindlich und halte Diskretionsabstand.
Ob das Zeug, das ich stattdessen für die nächste Belagerung kaufe, und das sich vor allem durch lange Haltbarkeit auszeichnet, gesünder ist? Manchmal glaube ich, jedes Konservierungsmittel heraus schmecken zu können. Vielleicht sollte ich mich mit dieser Fähigkeit in der Goldbärenshow »Wetten, dass« bewerben? Dort allerdings müsste ich mich in einer Halle mit abertausend Virenträgern mischen. Und wie heißt es schon in der Bibel, im Koran und im »Wachturm« der Zeugen Jehovas: »Wer sich in Gefahr begibt, wird darin umkommen«. Soll der Fernsehsender zum Risiko bereite Trottel für seine Show gewinnen, ich bleibe lieber daheim und übe mich im Überleben.
Mein Survivalset ergänze ich stattdessen mit einigen Packungen des Grippemittels »Tamiflu« (100 Tabletten bei DocMorris für stolze 333,60 Euro), einem Hunderterpack »Atemschutzmasken FFP2V« (zum Internet-Schnäppchenpreis für 295,00 Euro) und einem leistungsstarken Fernglas. Ab sofort beobachte ich aus meinem Küchenfenster mit dem Feldstecher Nachbars Gänse. Strecken die gefiederten Wächter ihre gelben Quanten verendet in die Höhe, wird es wirklich allerhöchste Eisenbahn, die Schotten dicht zu machen und sämtliche Zugbrücken wieder hochzuziehen.
Bis dahin streichele ich meinen Entenwecker und träume von gesünderen Zeiten. Haaaaaaaaatschi!
Schulze kauft eine Hose
Schulze schwitzt. Er schwankt in die Kabine. Drohend leuchtet das Wort »Anprobe« in lila Lettern über dem engen Kabinett, in das er sich und einen Haufen neuer Hosen quetschen soll. Seine bessere Hälfte hat ihn vor Wochen bedrängt, ein sommerliches Beinkleid zu erwerben. Heute schlägt seine Schicksalsstunde, und er hofft nun, möglichst schnell davon zu kommen. Ausgerechnet auf den heißesten Juli-Tag hat er sich eingelassen. Schon ärgert er sich über seine Zusage, die er in der Hoffnung gab, sie möge den Termin vergessen.
Schulze murrt. Er hasst es, durch Kaufhäuser, Bekleidungsinstitute und Boutiquen zu streifen und neue Kleidung
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