Angriff der Killerkekse. Unglaubliche Reportagen und atemlose Geschichten (German Edition)
kein Wässerchen trüben. Solch scheinheilige Katzbuckelei hatte schon Meistersinger Hans Sachs verachtet. Manch mittelalterliches Rathaus wie das im westfälischen Wiedenbrück brannte seinen Bürgern zur Warnung des Dichters güldenen Vers in den Deckenbalken: »Hoit dich vor de Katzen, die vor licken und achter kratzen.«
Kaum dreht das fleißige Lieschen aus dem Nebenhaus nach allabendlichem Wässern Blumenkübel und Rabatten den Rücken und sucht den häuslichen Herd heim, kommt Leben in ihren unschuldigen Liebling. Flugs geht Madame auf Wanderschaft, springt über Zaun und Strauch, und pirscht in unserem Garten. Ob hier die Kirschen süßer schmecken als im heimatlichen Hain sei dahin gestellt. Jedenfalls lockt ein Paradies für alles, was kreucht und fleucht. Amsel, Drossel, Fink und Star, Specht, Häher und Pirol nisten in friedlicher Eintracht im grünen Refugium abseits schneller Strassen. Ein naturnaher Garten wird schnell zum Jagdrevier im Dämmerlicht, und manch ein Sängerpaar beklagt den Mord am Nachwuchs mit dicken Tränen, wenn der Tod in sein Gelege tatzt. Reste von Vogelnestern auf Wegen und Beeten legen ein stummes Zeugnis vom Mordrausch des verwegenen Wilddiebs ab.
Nachbars Katze lässt es selten dabei bewenden. Im Zuge ihres blutigen Raubzuges überkommt sie bald ein natürliches Bedürfnis. Sie löst sich ungeniert im Rasenland und dokumentiert duftig ihren Anspruch auf Anwesenheit im auserkorenen Revier. Erleichtert schnürt sie weiter nach Beute. Geht man von der Menge ihrer Liebesgaben aus, ist ihr Markierungszwang manisch. Vielleicht möchte sie uns auch ein wenig von dem, was sie bei uns schlägt, wohl verdaut zurück erstatten. Katzen neigen gelegentlich dazu, Teile der Beute dem Rudel zu opfern. Dies geschieht üblich vor dem Verzehr der erlegten Kreaturen. Wie immer es sei: buchstäbliche Häufung kann durchaus zum Problem penetrieren. Was anfangs kaum der Rede wert war, wird nach einer Weile zum Ärgernis und schließlich zur Herausforderung. Bevor der Garten vollends zur Klärgrube verkommt, gilt es zu handeln und die Halterin zur Unterlassung anzuhalten.
Behutsam wird ein Gesprächsfaden zur Nachbarin gesponnen, die in Begleitung ihrer neuen krummbuckelnden Hausgenossin emsig jätet. Tag auch, tolles Wetter heute! Jetzt macht das Gärtnern richtig Spaß. Wohl wahr, bei diesen Temperaturen bleibt niemand gern am Ofen hocken. Schau, schau, Sie haben eine neue Katze? Glückwunsch und herzlich willkommen, du hübsches Tier! Hat der Tiger denn schon das neue Zuhause angenommen? Ei, das ist fein, so schnell kommt das kluge Wesen zurecht! Darf Fräulein Samtpfote denn gelegentlich auch allein an die frische Luft? Vernünftig, Freigang tut der Besten gut! Hoffentlich bleibt sie unversehrt, wenn sie gelegentlich das eigene Grundstück verlässt. Sie schauen erschreckt, Frau Nachbarin, aber denken Sie an die stark befahrenen Strassen. Ob wir der Miezekatze Böses wollen? Himmel hilf, wir lieben Katzen! Doch Gefahren lauern überall. Nun denn, die Arbeit ruft. Noch einen erfolgreichen Tag. Auf Wiedersehen!
Trugbild mit Katze. Höhnisch grinst Nachbars neurotischer Liebling. Mich dünkt, sie reckt ihre Pfote zum Himmel und fährt dabei siegessicher die Mittelkralle aus. Mickriges Mistvieh, reiß du deine Possen! Ja, ich bin harmoniesüchtig und drücke mich konfliktscheu, von der fleißigen Frau zu verlangen, die Toilettengänge ihres Lieblings zu verantworten. Wer mag schon Streit am Maschendrahtzaun? Vielleicht reicht der sanfte Hinweis sogar aus und bringt sie ins Nachdenken.
In meine Nase dringt Parfum von Kot und Katzenpisse. Ein süßliches Geruchskissen drückt schwer auf mein Gesicht. Scheinheilige Schimäre, verschwinde aus meinem Blickfeld. Bis bald, blöder Balg!
II
Das höfliche Gespräch am Zaun verpufft wirkungslos. Täglich serviert das jüngst zugezogene Schnurrhaar weitere modrig müffelnde Wurstpakete als ungebetenen Willkommensgruß. Es ist zum Verzweifeln. Die Lektüre von Konrad Lorenz und Alfred Brehm bringt keinen Erkenntnisschritt weiter, beide beschreiben die Gattung Felis als reinlich. Die beiden Forscher hätten vor der Niederschrift ihrer Standardwerke Nachbars Katze kennen lernen sollen: die Geschichte der Felidae würde neu geschrieben. Was hilft alles Lamento, hier ist der Hausherr persönlich gefordert, dem Wildfang eine Lektion in praktischer Erziehung zu erteilen. Mir reicht es jedenfalls, jetzt heißt es Fakten schaffen. Die
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