Angst
älterer Bruder und ich lagen immer im Wettstreit, wer am ekligsten und gleichzeitig am schnellsten war. Hat unsere Eltern schier in den Wahnsinn getrieben.«
»Grandpa Chappy lacht normalerweise, wenn wir bei ihm was Ekliges machen«, sagte Rob, »zum Beispiel angekaute grüne Bohnen an die Vorderzähne kleben und die Lippe runterziehen. Aber Onkel Tony wird immer gleich sauer, und Tante Cynthia sieht dann so aus, als würde sie uns am liebsten in einen Wandschrank sperren.«
»Und wie steht’s mit Onkel Gordon?« Ruth hörte, wie ihr die Worte aus dem Mund sprudelten, noch bevor sie überhaupt erkannte, was sie da gefragt hatte.
»Onkel Gordon? Hmm.« Rob blickte hinüber zu Rafe. »Eigentlich sind wir nie eklig, wenn Onkel Gordon dabei ist. Er sieht immer so perfekt aus.«
»Das tut euer Großvater Chappy aber auch«, entgegnete Ruth.
»Das ist nicht das Gleiche«, erklärte Rafe mit einem Kopfschütteln. »Und sobald die zwei zusammen sind, sind sie so sehr damit beschäftigt sich zu streiten, dass sie uns gar nicht mehr beachten.«
»Das kann ich mir gut vorstellen«, sagte Ruth.
»Wie war das bei Ihnen, Ruth? Was haben Sie und Ihr Bruder getan, das so richtig eklig war?«
»Nun, meine Lieblingsnummer bestand darin, beim Eislaufen einen riesigen Schluck Cola zu trinken. Dann blieb ich abrupt vor einem meiner Freunde stehen und rülpste ihm so richtig laut ins Gesicht.«
Die Jungen lachten. Dix wusste, dass seine Söhne bis zu diesem Abend eine tapfere Maske aufgesetzt hatten und sich so natürlich wie möglich verhielten, während um sie her die Hölle los war - drei Menschen waren in ihrer Stadt in weniger als einer Woche getötet worden, und ihr Vater hatte die Verantwortung herauszufinden, wer die Morde begangen hatte.
Rob hörte als Erster auf zu lachen. Er blickte auf den Haufen Baked Beans auf seinem Teller.
Nun, es war unmöglich, die Realität für immer auszublenden, dachte Dix. »Danke, dass wir es uns jetzt derart bildlich vorstellen können, Ruth«, sagte er leichthin. »Wenn wir Schlittschuh laufen gehen, sind Softdrinks tabu«, fügte er hinzu, doch die Jungen wirkten nachdenklich.
Rafe sagte: »Ich hab einmal gesehen, wie sich Onkel Tony unter den Achseln kratzte, und als wir Baseball gespielt haben, stand er mitten auf dem Feld und hat...«
Rob fiel seinem Bruder ins Wort. »Nicht vor Ruth!«
»Du hast recht, Rob, das sind zu viele Informationen«, pflichtete ihm Ruth bei und prostete dem Jungen mit ihrem Tee zu.
Dix häufte eine weitere Portion grüne Bohnen auf den Teller seines Sohnes. »Iss und kleb sie ja nicht an deine Vorderzähne!«
Rafe warf seinem Vater einen argwöhnischen Blick zu und sagte schneller, als Brewster mit dem Schwanz wedeln konnte: »Ich hab bei Mr Fulton vorbeigeschaut, um zu hören, wie es mit meinem Nebenjob aussieht. Du weißt schon, wenn die Zeugnisse rauskommen.«
»Das ist ein Eisenwarenladen, nicht?«, fragte Ruth.
Rafe nickte. »Mr Fulton sagte, dass nur sechs Tage vergangen sind und sich in seinem Laden nichts verändert hat, und er wollte wissen, wann ich Bescheid bekomme, ob sich meine Noten in Englisch und Biologie verbessert haben.«
Brewster versuchte auf Ruths Schoß zu klettern. Sie beugte sich zu ihm hinab, kraulte ihm den Kopf und steckte ihm ein Stück Hotdog zu. Aber Brewster war nicht hungrig, sondern wollte bloß Aufmerksamkeit. Er rieb das Würstchen an ihren Schuhen, bis sie sich gezwungen sah, die Füße vom Boden hochzuheben, um dem Hund auszuweichen. Die Jungen lachten, bis sich Ruth Brewster schnappte und ihn an ihre Brust drückte. »Wie kannst du meine Schuhe mit dem Hotdog beschmieren, sodass sich jeder über mich lustig macht? Ich dachte, du seist mein Held!«
»Und was für ein Held!«, sagte Rob und schaufelte sich noch mehr Kartoffelsalat auf den Teller. »Brewster war als Welpe so klein, dass wir alle Angst hatten, wir könnten nachts auf ihn draufrollen und ihn zerdrücken.«
Dix grinste und behielt Brewster im Auge. »Er war Held genug, um Ruth zu finden. Außerdem bin ich selbst schon mal über Brewster drübergerollt, und er hat es überlebt. Und jetzt, Rafe, was hat Mr Fulton über den Job gesagt?«
Rafe schluckte einen Bissen Hotdog mit Semmel hinunter. »Mr Fulton hat mich >Haselnussschnitte< buchstabieren lassen. Das war unfair, Dad!«
»Hast du’s wenigstens versucht?«, wollte Ruth wissen.
»Ja, natürlich. Ich habe ein s in der Mitte vergessen. Das war unfair«, wiederholte er.
»Daraus schließe
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