Angst
hat, hat sich wahrscheinlich an sie herangeschlichen und sie im Schlaf erdrosselt. Es ging ganz schnell. Ich wette, sie hat Dr. Holcombe angerufen, Dix. Aus Liebe oder Loyalität?«
»Davon haben wir auch gerade gesprochen«, erwiderte Savich. »Wir müssen ganz genau herausfinden, was Helen getan hat, nachdem Sie sich gestern von ihr verabschiedet haben, Dix. Haben Sie ein paar gute Leute, die Sie darauf ansetzen können?«
Dix nickte. »Wie schon gesagt, als wir sie in der Stanislaus befragten, war Onkel Gordon nicht dort. Er war drüben in der Gainsborough Hall, dem großen Auditorium, und hörte sich einige der Stücke an, die bei dem Konzert nächsten Monat aufgeführt werden. Wir sollten herausfinden, wer Helen gesehen hat, bevor sie den Campus verließ. Außerdem können wir ihre Telefonate überprüfen - vielleicht hat sie ihn im Auditorium angerufen.«
»Womöglich hat Helen jemand anderen angerufen«, gab Ruth zu bedenken. »Vielleicht konnte sie sich nicht mehr an all die Namen erinnern und wollte sich bei jemandem erkundigen, der auch davon wusste, oder sie hat eine der Frauen angerufen.«
Dix zog sein Handy aus der Tasche hervor. »Amalee, holen Sie Penny, Emory und Claus aufs Revier. Ich treffe sie in zwanzig Minuten in meinem Büro.« Dann lauschte er einen Moment seiner Telefonistin, klappte das Handy zu und ließ es in die Tasche gleiten. »Amalee wusste bereits davon«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Natürlich wusste sie es!« Verärgert fuhr er mit der Stiefelspitze über den Wohnzimmerteppich und fluchte leise.
Anschließend durchsuchten sie Helen Raffertys kleines Haus gründlich. In den drei Zimmern und den übrigen Räumlichkeiten gab es nicht viel zu sehen, da Helen laut ihrem Bruder vor einiger Zeit entrümpelt hatte und sich dabei von allem Unnötigen getrennt hatte. Aber sie liebte Fotos. Überall waren Bilder, bedeckten jeden freien Zentimeter. Vor allem Familienbilder. Außerdem fanden sie einige Nachrichten, die Dr. Holcombe vor fünf Jahren an
Helen geschrieben hatte, in ihrer Unterwäscheschublade in einer kleinen Schachtel, um die eine Schleife gebunden war. Keine heißen und feurigen Liebesbriefe, sondern Dinge wie Dinner heute Abend, bei dir?, oder Komm um sechs zu mir nach Hause.
Es war alles unendlich traurig, fand Ruth.
Helen Raffertys leerer Schreibtisch in der Stanislaus war tadellos aufgeräumt, kein einziges loses Blatt Papier lag herum. Ihr Computerbildschirm sah frisch geputzt aus. Da Dr. Holcombe nicht da war, nahmen sie sich die Zeit, ihre Schreibtischschubladen zu durchsuchen, aber sie fanden nichts, das von Interesse war. In Kürze würde jeder auf dem Campus wissen wollen, was sich zugetragen hatte. Jeder wäre bestürzt und verwirrt - zuerst Erin Bushnell, jetzt die persönliche Assistentin des Rektors. Bald würden es alle mit der Angst zu tun bekommen, dachte Dix.
Der Sheriff wollte gerade den Motor seines Range Rovers anlassen, da klingelte sein Handy. Einen Augenblick später legte er schon wieder auf. »Das war Chappy. Twister ist auf Tara, trinkt seinen Kona-Kaffee, isst Mrs Goss’ Scones und steht jedem im Weg. Er sagte, Twister habe ihm erzählt, dass Helen erdrosselt worden sei, und jetzt weint und jammert er. Chappy klang angewidert.«
Die Sonne ließ sich nicht blicken. Der Himmel war stahlgrau. Am Horizont waren schwere, mit Schnee beladene Wolken zu erkennen, und es schien genauso kalt zu sein wie damals in der Prärie von South Dakota, als Dix vor vielen Jahren mit Christie und den Jungs dort Urlaub gemacht hatte.
Dix hielt sich auf den Nebenstraßen und trieb den
Range Rover weit über die erlaubte Geschwindigkeitsbegrenzung. Da er sah, dass Ruth sich fröstelnd die Arme um den Körper schlang, drehte er die Heizung voll auf. »Es wird schneien«, sagte er zu niemandem Bestimmten. »Wahrscheinlich heute Nachmittag.«
Zwölf Minuten später bogen sie in die lange Auffahrt des Herrenhauses Tara ein. »Ich frage mich nur, wo meine Deputys sind«, sagte Dix. »Ich bin die ganze Zeit über zu schnell gefahren. Wenn jemand rast, wissen sie es normalerweise immer.«
»Sie sind der Sheriff«, antwortete ihm Ruth. »Glauben Sie wirklich, dass sie Sie anhalten würden? Unwahrscheinlich. Wann hat Sie einer Ihrer Deputys das letzte Mal wegen zu schnellem Fahren belangt?«
»Der Punkt geht an Sie.«
Als Dix seinen Wagen zum Halten brachte, sagte er: »Wenn es für Sie alle in Ordnung ist, möchte ich meinen Onkel zum Thema Erin und den
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