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Angst auf der Autobahn

Angst auf der Autobahn

Titel: Angst auf der Autobahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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viel wert — obwohl Willert vom Inhalt keine genaue Vorstellung
hatte.
    Vielleicht sitzen die Bullen
bei ihr, dachte er. Aber ein kurzer Anruf schadet nicht.
    Der Ausbrecher griff zum
Telefon und wählte.
    Nach einer Weile wurde
abgenommen.
    „Willert“, hörte er die Stimme
seiner Mutter.
    Im Hintergrund wurde gedämpft
geredet, untermalt von schmalzigem Kuschelrock. Das klang nach einem
unbedarften TV-Film. Gerade richtig für Mutti, hahah.
    „Ist dort bei Alfons Willert?“
fragte er.

    Das war der Name seines
verstorbenen Vaters.
    Martha Willert stutzte.
    „Karsten?“ Ihre Stimme zitterte
leicht.
    „Bist du allein?“
    „Ja.“
    „Wer redet da?“
    „Das ist im Fernseher.“
    „Kein Bulle im Haus“
    „Hier ist kein Polizist,
Karsten. Mein Gott! Junge, wo bist du?“
    „In Freiheit, Mutter.“
    „Das ist keine Freiheit. Du
mußt dich verstecken.“
    „Na und? Immer noch besser als
hinter Gittern.“
    „Nein, nein, nein! Sie werden
dich finden, und dann wird alles noch schlimmer. Dann kommt zu deiner
verbleibenden Strafe noch was hinzu.“
    „Mich erwischt keiner.“
    „Karsten, es wäre vernünftig,
wenn du dich stellst.“
    „Hör auf, mir Moral zu
predigen. Das war schon bei deinem letzten Besuch im Knast unerträglich.
Übrigens hat dein Kuchen toll geschmeckt. Wie immer. Leider konnte ich ihn
nicht aufessen. Ich bin vorher getürmt. Die Gelegenheit war so günstig.“
    „Ich bin sehr, sehr traurig,
Karsten.“
    Sie hustete krächzend. Und er
wußte, daß sie sich am Zigarettenrauch verschluckt hatte.
    „Die Bullen waren natürlich bei
dir, Mutter?“
    „Sowas ist peinlich, Karsten.
Furchtbar peinlich.“
    „Schon gut. War sonst jemand
da?“
    „Nur dieser... dein Freund von
damals. Dieser Spelter.“
    „Ah, ja!“
    „Ich mag ihn nicht.“
    „Er ist okay. Hat die Kassette
abgeholt, wie?“
    „Ja, heute nachmittag.“
    „Erst heute?“
    „Heute nachmittag war er hier.
Und vorhin nochmal.“
    „Nochmal? Ist was nicht in
Ordnung?“
    „Ich hatte ihm nachmittags
schon gesagt, daß du ausgebrochen bist. Das war ihm nicht bekannt. Ich soll
dich grüßen, falls du dich meldest. Aber ich habe gesagt, daß du mich in nichts
reinziehen wirst.“
    „Tue ich auch nicht.“
    „Ja, und dann kam er vorhin
nochmal und hat mir seine Telefonnummer dagelassen. Die soll ich dir geben.“
    „Na, herrlich! Her damit!“
    Sie zögerte. „Vielleicht ist es
besser, wenn ich sie dir nicht sage.“
    „Mutter!“
    Mehr sagte er nicht. Aber die
Drohung war unüberhörbar. Sicherlich — angetan hätte er ihr, seiner Mutter,
niemals etwas. Aber es genügte, wenn er schrie und tobte.
    Sie seufzte. Dann holte sie den
Zettel und las die Zahlenfolge vor.
    Er schrieb nicht mit, sondern
prägte sich die Rufnummer ein, indem er sie dreimal wiederholte und sich
zusätzlich Eselsbrücken baute. Er hatte am 7. Mai Geburtstag, war mit vier
Jahren von einem Pony gefallen — mit Gehirnerschütterung als Folge war deshalb
erst mit acht eingeschult worden und hatte, als 1980 sein Vater starb, die acht
zu seiner Lieblingszahl ernannt.
    „Karsten!“
    „Ja, Mutter?“
    „Hast du den Jungen entführt?“
    „Welchen Jungen?“
    „Jörg Wichtigmann. Den Sohn vom
Bürgermeister, vom 2. Bürgermeister.“
    „Wie sollte ich? Kenne den
Bengel ja gar nicht. Außerdem bin ich kein Kidnapper.“
    „Kein was?“
    „Kidnapper! Kindesentführer.“
    „Du sagst die Wahrheit,
Karsten?“
    „Dich belüge ich doch nie. Ich
muß jetzt Schluß machen, Mutter. Schlaf gut! Und falls die Bullen dich fragen —
du hast keine Nachricht von mir.“
    „Also muß ich lügen. Also
ziehst du mich doch in deine furchtbaren Sachen hinein.“
    „Da ist nichts furchtbar. Ich
will nur meine Freiheit. Tu’s für mich, Mutter! Gute Nacht!“
    Er legte auf, grinste in die
Dunkelheit, rülpste abermals eine Wolke Ölsardinen-Duft und wählte dann
Spelters Nummer.
    7. Mai — 7-5 — mit vier vom
Pony, mit acht eingeschult — 4-8 — 1980 des Alten Ende — 8-0 — die
Lieblingszahl — 8-.
    Er ließ es 15 mal läuten.
    Aber Spelter war offenbar nicht
zu Hause.
    Dann eben nachher nochmal,
dachte Willert — und köpfte die vierte Flasche Bier.

12. Flucht vom finsteren Hof
     
    Auf dem Rückweg stellte Tim
allerlei Überlegungen an. Es gab Anlaß zur Sorge. Denn wenn sich Spelter mit
Willert verbündete, verdoppelte sich garantiert auch die kriminelle Energie,
mit der man rechnen mußte — und dieses ,man’ bezog sich in erster Linie auf

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