Angst auf der Autobahn
die
Glockners.
Aber nicht nur, dachte der
TKKG-Häuptling. Auch der 2. Bürgermeister fällt jetzt, zumindest seelisch, sehr
tief. Wenn dieser Willert den Jörg hat, ist ein Drama angesagt.
Im Altstadtviertel war wenig
Betrieb. Laue Nachtluft füllte die romantischen Straßen, wo die Häuserzeilen in
lustigen Windungen verlaufen und nicht wie mit dem Lineal gezogen.
Gelbes Licht hinter Fenstern —
dort, wo man sich unterhielt und las. Buntes Licht dort — wo nur der TV lief;
was ja durchaus toll sein kann für Singles, dachte Tim, aber wenn die
Mattscheibe Gespräche und Lektüre ersetzt, dann stimmt was nicht in der
zwischenmenschlichen ,Konnäktschen’.
Er radelte um die nächste Ecke
und bog ein in die Glocknersche Straße.
Im Feinkostgeschäft waren die
beiden Schaufenster erleuchtet — und oben in der Wohnung straßenseitig vier
Fenster.
Soweit — okay.
Aber dann stockte Tim der Atem.
An einer dunklen Stelle, zu der
das Licht der Straßenlaterne nicht hinreichte, parkte der blaue Mercedes.
Spelters Wagen!
Tim stoppte.
Er spähte. Sein Nackenhaar
sträubte sich. Der Wagen war leer.
Tim äugte die Straße entlang,
konnte aber niemanden ausmachen. Keine Menschenseele. Lediglich die Laternen
wurden von Motten umflattert. Und ab und zu stieß aus dem Dunkel eine
Fledermaus hervor und schnappte sich eine.
Wo war Spelter? Schon im Haus?
Tim preschte zum Eingang,
sprang ab und drückte gegen die Tür.
Sie gab nicht nach. Aber wenige
Schritte entfernt war die Einfahrt zum Hof. Dort verhinderte ein
schmiedeeisernes Gittertor Unbefugten den Zutritt. Doch das Schloß war defekt,
ließ sich anscheinend nicht mehr reparieren und wurde neuerdings mit Kette gesichert
— und Vorhängeschloß.
Diese kleine Mühe war einigen
Hausbewohnern zu unbequem. Deshalb blieb das Tor manchmal offen.
Auch heute abend, wie Tim
wußte, denn Karl und Klößchen hatten ihre Bikes auf dem Hof abgestellt — und
Tim wollte jetzt das gleiche tun.
Das Tor klirrte beim Öffnen.
Er schob sein Rennrad auf den
Hof.
Hier war es dunkel wie in einer
schwarzen Wollsocke, und der Mond war immer noch hinter Wolken verborgen.
Tim gab sich arglos, pfiff
leise, schob sein Rad, starrte in die Dunkelheit und horchte angestrengt.
War das ein Geräusch an der
Hintertür?
Sie war in einer Ecke, wo auch
bei Tage keine Sonne hinscheint.
Jetzt brodelte dort Finsternis,
daß sich Tim vorkam wie blind.
Er schob sein Rad an der
Hauswand entlang, stellte es ab, sicherte mit dem Kabelschloß, pfiff immer noch
leise und schlurfte dann zur Hintertür, obwohl er für die keinen Schlüssel
besaß.
Schweißgeruch. Tim nahm ihn
wahr. Aber er sah nichts. Dann — hinter ihm — etliche Schritte enfernt —
knackte ein Stein auf dem gepflasterten Boden.
Der TKKG-Häuptling fuhr herum.
„Ist da wer?“
Schritte prasselten, und die
Gestalt stürmte zum Tor. Einen Affenzahn hatte er drauf, der Kerl. Aber Tim
sauste hinterher mit demselben Tempo.
Das Gittertor klirrte.
Und Tim prallte dagegen wie ein
angreifendes Nashorn, konnte gerade noch schützend die Arme hochreißen.
Dieser Mistkerl! Der war
durchgeschlüpft und hatte das Tor hinter sich zugeworfen. Das verschaffte
Vorsprung, entscheidende Sekunden.
Als Tim auf die Straße rannte,
war Spelter schon beim Wagen.
Der TKKG-Häuptling jagte
frontal darauf zu und mußte dann zur Seite springen, um nicht unter die Räder
zu kommen.
Mit heulendem Motor preschte
der Mercedes vorbei.
Erst an der nächsten Ecke
wurden die Scheinwerfer eingeschaltet.
Tim verharrte und blickte
hinterher. Ihm war übel vor Schreck. Daß sich dieser Psychopath schon jetzt
hier herumtrieb — damit hatte er nicht gerechnet. Ja, Spelter hatte versucht,
ins Haus einzudringen. Wußte der, daß Emil Glockner zur Zeit nicht anwesend
war?
Tim blickte hoch zu den
Fenstern. Hinter einem war der Vorhang jetzt beiseite gezogen, und seine
Freunde winkten ihm zu. Offenbar hatten sie den startenden Wagen gehört.
Tim machte eine resignierende
Geste, rückte seine Baseballkappe zurecht und wandte sich zur Haustür.
*
Er hatte erzählt. Gaby war blaß
geworden. Karl polierte aufgeregt seine Brille. Klößchen trommelte mit den
Fäusten auf seine stämmigen Schenkel.
„Ich rufe Dennis an“, sagte
Tim. „Er könnte jetzt einschreiten, nämlich mal mit Blaulicht — also offiziell
— bei Spelter An-der-Schwemme aufkreuzen und ihm was flüstern. Denn reagieren
müssen wir.“
„Warum nicht verhaften?“ rief
Klößchen.
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