Angst auf der Autobahn
dem Knie?“
Auch Spelter lachte. Er fand
den Gedanken recht komisch.
„Deine Mutter hat dir meine
Nummer gegeben?“
„Vielen Dank auch!“
„Wo steckst du?“
„Ich weiß nicht mal, wie die
Straße heißt. Die Leute sind verreist, und ich habe mich eingenistet.“
„Klasse!“
„Ich bin gut bestückt. Mit zwei
Jagdgewehren und genug Munition. Außerdem habe ich den Sohnemann vom 2.
Bürgermeister.“
„Das verkünden die Medien fast
ohne Pause.“
„So wird man zur Berühmtheit,
Horst.“
„Wofür willst du den Bengel
eintauschen: für Geld und Freiheit?“
„Vielleicht könnte ich Geld
erpressen, aber alles andere verzeihen die mir nicht. Sobald sie den Bengel
hätten, ginge es los mit der Jagd auf mich. Nein, den behalte ich als
Faustpfand. Für den Fall, daß es eng wird. Dann ist er meine Trumpfkarte im
Ärmel.“
„Hast du den Jungen bei dir?“
„Nee. Jörg ist an einem
ungemütlichen Ort. Es gibt da mitten im Wald einen verlassenen Einöd-Hof. Dort
ist ein abgedeckter, ausgetrockneter Brunnen. Sehr tief. In dem habe ich den
Bengel versteckt.“
„Hast du ihn reingeworfen?“
„Runtergelassen. Mit ‘nem Seil.
Er ist nicht verletzt. Aber sicherlich plärrt er jetzt.“
Spelter nickte. Er fand das gut
und okay. Mitleid war ihm unbekannt. Alles war immer dann in Ordnung, wenn es
dem eigenen Vorteil nützte.
„Hast du mit deiner Bewaffnung
was vor, Karsten?“
Der Ausbrecher lachte abermals.
„Du ahnst es, wie? Die grandiose Idee kam mir vorhin, als ich an der Autobahn
war. Die führt ja stellenweise durch dichtesten Wald. Wer sich da versteckt —
nach dem müßte eine Hundestaffel suchen. Und bis die anrückt, ist man weg.“
„Und was hast du vor?“
„Autos abschießen.“
„Abschießen? Wie Tontauben?“
„Meinetwegen: beschießen ! Dabei ziele ich natürlich
nicht auf die Insassen, aber auf die Reifen, auf den Kofferraum, aufs Blech.“
„Ein Schützenfest an der
Autobahn?“
„Genau. Und zwar so, daß die
Schlitten ins Schleudern kommen. Es darf krachen, daß sich die Typen mit den
Abschleppwagen was kichern. Und wenn’s Verletzte gibt, ist das nicht meine
Schuld, sondern höhere Gewalt.“
Spelter lachte. „Vor Gericht
würde man das anders auslegen. Aber Hauptsache, du kommst mit dir klar. Mit dir
und deinem Gewissen.“
„Gewissen?“ Willert gluckste.
„Was ist das? Mein Gewissen stimmt, wenn ich eine Schüssel Ölsardinen fressen
kann und neben mir ein Kasten Bier steht.“
„Nun mal weiter!“ verlangte
Spelter nach einem Moment des Schweigens. „Es gibt also Terror auf der
Autobahn. Ein unbekannter Scharfschütze beharkt die Autos. Aber das ist doch
nicht alles?“
„Das hängt ab von der
Landesregierung.“
Spelter stieß einen Pfiff aus.
„Verstehe! Entweder die löhnen, oder der Terror geht weiter.“
„Ich fordere drei Millionen
Mäuse. In nicht zu großen Scheinen. Keine Tausender, keine Fünfhunderter. Die
großen Lappen fallen auf. Und wir sind schließlich nicht zu faul, auch einen
großen Koffer mit Kohle zu schleppen. Ja, Horst, so stelle ich mir das vor, und
so wird es laufen: erbarmungslose Anschläge. Immer an anderen Stellen. Rund um
die Landeshauptstadt mit ihrer Millionen-Bevölkerung. Man kann die Autobahn
nicht schließen. Und was sind für die politischen Entscheidungsträger läppische
drei Millionen? Diese Minderleister verschleudern doch die Steuergelder auf
noch viel doofere Weise. Und da geht es nicht um die allgemeine Sicherheit,
sondern nur um die Vertuschung politischer Unfähigkeit. Ich glaube, Horst, nie
war die Zeit so günstig — trotz allgemeiner Knappheit — für eine saubere, runde
Erpressung. Denn der typische Deutsche liebt sein Auto mehr als seinen Dackel —
und wenn der PS-Lenker mit seinem liebsten Spielzeug nicht mal mehr auf die
Autobahn darf, um fröhlich zu rasen — wenn er befürchten muß, daß ihm dort
Kugeln um die Ohren fliegen — dann wird er sauer.“
Spelter amüsierte sich. „Du
hast wirklich dazugelernt im Knast.“
„Man wird ja älter — und macht
sich seine Gedanken.“
„Aber du solltest vorsichtig
sein.“
„Wir sollten beide vorsichtig
sein.“
„Bin ich dabei?“
„Wir haben zwei Gewehre!“
Spelter pfiff abermals. „Ich
habe außerdem einen Leihwagen.“
„Noch besser. Wir treten auf als
Gang, als Bande, als Terrorgruppe. Der eine ballert hier, der andere dort.“
„Das müssen wir im einzelnen
besprechen. Wann und wo treffen wir uns?“
„Morgen. Bei
Weitere Kostenlose Bücher