Angst im Paradies
um dich“, sagte Piri plötzlich und griff nach meiner Hand. „Du siehst nicht gut aus im Moment. Ist alles in Ordnung?“
„Mir geht es gut, ehrlich. Ich hatte eine leichte Grippe, das geht ja hier im Moment überall rum“, entschuldigte ich mich ein wenig zu hastig.
Piri musterte mich skeptisch, sagte jedoch erst einmal nichts weiter, da gerade die Bedienung mit den Getränken und dem Salat für mich kam.
Ich begann meinen Salat zu essen, froh, erst einmal der unangenehmen Befragung entkommen zu sein.
„Wie ist dein Salat?“
„Lecker“, antwortete ich. „Möchtest du probieren?“
Piri schüttelte den Kopf.
Die Bedienung kam und nahm den leeren Salatteller mit, dann servierte sie die Hauptgerichte. Eine Weile aßen wir schweigend.
„Wie hat Modou eigentlich damals wegen der Vergewaltigung reagiert?“
Ich zuckte zusammen und die Farbe wich für einen Moment aus meinem Gesicht, um dann in Form einer tiefen Röte wieder zurückzukehren.
„Wie ... wie meinst du das?“
„Naja, wie hat er reagiert? Was hat er gesagt? War er betroffen, besorgt, wütend, traurig?“
„Naja, ich ... ähm. Ich glaube – er war wohl betroffen.“
„Du glaubst?“, bohrte Piri nach.
„Was soll die Fragerei? Was bezweckst du damit? Ich weiß, Modou war heute nicht so gut drauf, aber er ist grad etwas gestresst. Normalerweise ist er nicht so!“
„Natürlich nicht", sagte Piri mit leicht sarkastischem Ton.
„Er ... er ist sehr liebevoll und er kümmert sich gut um mich. Manchmal ist er vielleicht etwas zu besorgt, er hat halt Angst, dass man mich verletzen oder ausnutzen könnte. Er kennt meine Geschichte und deswegen passt er halt gut auf mich auf. Das ist alles.“
„Ich kenne deine Geschichte auch und das macht mir Sorgen. Ich sehe eine ganze Batterie von Alarmlampen blinken, wenn ich dich ansehe.“
„Ich weiß, dass du es gut meinst und ich liebe dich dafür, doch du machst dir ganz umsonst Sorgen. Mir geht es sehr gut. Modou und ich sind sehr glücklich. – Natürlich haben wir hin und wieder ein paar kleine Zankereien, aber das ist doch normal. Wir kommen aus unterschiedlichen Kulturen und müssen erst lernen, uns einander anzupassen.“
„Trotzdem, wenn du irgendwann einmal Hilfe brauchst, zögere nicht, mich anzusprechen. Ich bin immer für dich da.“
„Danke Piri. Du bist nicht nur eine Freundin, du bist auch wie eine Schwester für mich.“
*
Als ich nach Hause kam, war Modou nicht zu Hause. Ich ging unter die Dusche und zog mir etwas Frisches an, dann fuhr ich zum Julies Diner. Ich hatte gehofft, Modou dort anzutreffen, aber er war nicht da. Es war wenig los, der Regen hielt die meisten Gäste fern. So nahm ich mir die Zeit, ein wenig Papierkram zu erledigen. Immer wieder kreisten meine Gedanken um das Gespräch mit Piri. Hatte sie recht? Geriet ich schon wieder in die gleiche Geschichte, wie in meiner ersten Ehe? Sicher sprach einiges dafür, dass es zwischen Modou und mir immer wieder Schwierigkeiten gab. Aber wir kamen eben, wie ich schon zu Piri gesagt hatte, aus unterschiedlichen Kulturen und dass er Mo cnd chwslem war, machte die Sache auch nicht einfacher.
Sicher lag es daran, dass ich mich anders verhielt, als er es von den muslimischen, gambianischen Frauen gewöhnt war unddamit konnte er schwer umgehen. Das war doch verständlich, ebenso, wie ich als emanzipierte Europäerin Schwierigkeiten hatte, mich seiner Kultur anzupassen. Wenn ich mir noch mehr Mühe gab ...? Immerhin war er ja wirklich viel umgänglicher, wenn ich mich ihm unterordnete. Mit der Zeit konnte ich mir ja nach und nach ein wenig mehr Freiheiten rausarbeiten, wenn das Verständnis zwischen uns gewachsen war. Ich konnte und wollte diese Beziehung nicht abschreiben. Ich war mir sicher, dass es sich nur um eine Eingewöhnungsphase handelte und dass wir da irgendwann durchkommen würden.
Kapitel 11
I ch blickte sorgenvoll zum dunklen Himmel hinauf. Der frisch aufgekommene Wind wirbelte Unrat und roten Staub auf. Die Menschen um mich herum schienen es plötzlich alle eilig zu haben, nach Hause zu kommen. Es war eindeutig, dass ein mächtiger Regenguss bevorstand. Ich wechselte die schwere Einkauftüte in die andere Hand und drehte mich zur Straße. Weit und breit kein Taxi, kein Bus.
In Gambia gab es unzählige Kleinbusse und Vans, die, entkernt und mit neuen Bänken bestückt, zwischen zehn und vierzehn Fahrgäste transportieren konnten. Man saß darin zwar wie in der sprichwörtlichen
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