Angst im Paradies
bis Morgen. Ich ruf dich wahrscheinlich morgen früh wieder an.“
„Gut, bis morgen. Ich hab dich lieb.“
„Hm. Bye!“
„Bye!“
*
Es begann langsam dunkel zu werden und der Strom war noch immer nicht wieder da. Ich stellte Kerzen auf und zündete sie an. Ich konnte bei Kerzenlicht nicht lesen und so wusste ich nicht, was ich tun sollte. Ich setzte mich ans Fenster und schaute auf die Straße hinab. Es hatte aufgehört zu regnen und im Schein der Autoscheinwerfer huschten dunkle Gestalten vorbei. Abends war immer viel los auf den Straßen. Frauen mit ausladenden Bündeln auf dem Kopf und Babys auf dem Rücken. Männer in langen Gewändern, die zum letzten Gebet des Tages eilten, den zusammengerollten Gebetsteppich unter dem Arm. Jugendliche, die lachten und grölten und Kinder, die sich Mintis (Bonbons) oder Luftballons vom Shop holten. Ich liebte das bunte Treiben Gambias und ich beschloss, noch ein wenig nach draußen zu gehen. Auf den Straßen war es auch im Dunkeln sicher, da sie so belebt waren. Die Kriminalitätsrate war in Gambia ohnehin sehr gering. Kein Vergleich zu Europa oder Amerika.
Ich nahm meine Taschenlampe und löschte die Kerzen, dann ging ich nach draußen. Die Nachtluft war angenehm frisch, eine Wohltat nach der schwülen Hitze in der Wohnung. Ich atmete tief ein und schaute zu dem sternenklaren Himmel. Die Wolken waren verschwunden. Der Mond war halb voll. Ich hatte mich noch immer nicht daran gewöhnt, dass die Mondsichel von Afrika aus liegend zu sehen war, anstatt aufrecht. Immer noch mutete es mir merkwürdig an und ich legte den Kopf schief, um den Mond richtig herum zu sehen. Ich lachte über mich selbst und ein paar junge Mädchen, die gerade passierten, lachten mit mir, ohne zu wissen, worum es ging. So war Gambia.
Ich kam an ein paar spielenden Kindern vorbei, die mich mit Rufen begleiteten. „Toubob! Toubob!“
Ich winkte ihnen lachend zu und ging weiter. An der nächsten Straßenecke stieg mir der Geruch von frisch frittierten Penchas in die Nase. Das waren einfache runde Küchlein, die in Öl gebacken wurden. Ich kaufte fünf Stück für fünf Dalasi und aß sie im Gehen. Sie waren noch warm und einfach köstlich. Ein weiterer Grund, warum ich Gambia liebte. Überall konnte man abends etwas Leckeres zu naschen kaufen. Zurzeit hatte ich einen regen Appetit. Als ich die Penchas vertilgt hatte, kaufte ich mir noch zwei Meatpies und eine große Mango und machte mich langsam auf den Heimweg.
Zu Hause aß ich die Meatpies bei Kerzenschein und vertilgte danach auch noch die komplette Mango, die fast die Größe eines Kinderkopfes hatte. Es war nun schon fast zehn Uhr und noch immer kein Strom, so beschloss ich, schlafen zu gehen. Ich löschte gewissenhaft alle Kerzen, bevor ich in mein einsames Bett stieg. Es war ungewohnt, allein schlafen zu gehen und zu wissen, dass Modou nicht kommen würde. Ich brauchte lange, um einzuschlafen.
*
Als ich am nächsten Morgen erwachte, fühlte ich mich schlapp und unwohl. Ich blieb noch eine Weile liegen, ehe ich mich vorsichtig aus dem Bett erhob. Plötzlich fing mein Magen an zu rumoren und ein saurer Geschmack stieg meine Kehle hoch. Ich würgte und mit der Hand vor dem Mund rannte ich ins Badezimmer, wo ich mich in die Toilette übergab.
Als ich das Gefühl hatte, dass nichts mehr hochkommen würde, erhob ich mich mit zittrigen Knien und wankte ins Schlafzimmer, wo ich mich erst einmal wieder auf das Bett setzte. Um mich herum schien sich alles zu drehen, ebenso, wie mein Magen zuvor. War ich etwa ...? Morgendliche Übelkeit, Schwindel, Abgeschlagenheit und dann dieser Heißhunger der letzten Tage. Das alles schien tatsächlich auf eine Schwangerschaft hinzudeuten. Freude und Panik stritten in mir. Ich war mir sicher, dass Modou sich sehr freuen würde, doch ich hatte auch Angst. War ich dem Ganzen gewachsen? Ein Kind war etwas, was einem viel Zeit und Kraft abverlangte. Ich hatte mich nie für einen mütterlichen Typ gehalten. Würde ich überhaupt mit so einem kleinen Wurm umgehen können? Sicher, ich mochte Kinder, doch ich hatte keinerlei Erfahrungen mit ihnen.
Ich wusste nicht, wie man ein Baby versorgte, was für Krankheiten es gab und wie man sie erkannte und behandelte. Und dann die Geburt. Eine ohnehin beängstigende Sache, doch hier, in Afrika? Wie gut waren die Kliniken hier auf Komplikationen eingerichtet? Was, wenn es Probleme bei der Geburt gab oder wenn das Kind vielleicht nicht ganz gesund war und operiert
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