Angst im Paradies
uns auf die Bühne. Ich war gespannt, welchen Namen Modou ausgesucht hatte, er hatte es mir nicht verraten wollen. Nachdem der Imam mit einer Rasierklinge eine Locke des Babys abgeschnitten hatte, träufelte er etwas Wasser auf das Köpfchen. Dann rezitierte er einige Koranverse auf Arabisch und flüsterte dem Baby den Namen ins Ohr. Dann trat Modou an das Standmikrofon und verkündete: „Sein Name ist Lamin!“
Begeisterte Rufe erklangen, dann kamen nach und nach die Gäste und beglückwünschten uns und betrachteten das neue Familienmitglied. Die Musik wurde wieder angeschaltet und der DJ, der für die Feier engagiert worden war, verkündete seine Glückwünsche und wünschte den Feiernden viel Spaß.
Ich überließ Lamin seinem Vater und zog mich von der Bühne zurück. Da die Aufmerksamkeit eh auf den Kleinen gerichtet war, kümmerte sich niemand weiter darum, dass ich mich etwas abseits auf eine Bank unter einem Cashewbaum setzte. Nun hatte mein Sohn einen Namen. Ich war froh, dass Modou sich einen Namen ausgesucht hatte, mit dem ich einverstanden war. Zwar hätte ich einen anderen, nicht muslimischen Namen vorgezogen, doch ein Name wie Mohammed oder Abdoulie hätte mich mehr gestört. Mit Lamin konnte ich gut leben.
Die Musik war ziemlich laut, wie bei allen afrikanischen Feiern und so bemerkte ich nicht, dass Aminata sich mir genähert hatte. Erst als die alte, gewichtige Frau sich neben mich setzte, sah ich auf. Großmutter Aminata legte mir eine Hand auf den Unterarm und schnaubte. So begann die Alte jede Unterhaltung. Es klang wie das Schnaufen einer alten Dampflok.
„Gefällt dir der Name, Tochter?“, fragte sie.
„Ja, er ist sehr schön“, gab ich zurück.
„Bist du müde?“
Ich nickte und sah die alte Frau an. Aminata war neben Awa die Einzige, die mich zu mögen schien. Ihre klugen Augen sahen viel, weswegen ich stets ein wenig auf der Hut war, doch ich hatte schon oft gemerkt, dass die Alte Dinge für sich behielt, anstatt sie an Modous Vater oder anderen Familienmitgliedern zu verraten.
„Du musst etwas essen!“
Ich zuckte mit den Schultern. Ich verspürte keinen Appetit. Seit einiger Zeit schon musste ich mich regelrecht zum Essen zwingen.
Großmutter Aminata erhob sich schwerfällig und schnaubte erneut.
„Komm!“
Gehorsam stand auch ich auf und ließ mich von Aminata zu dem großen Tisch führen, wo die Speisen aufgestellt waren. Ich nahm eine Schüssel und füllte sie mit Reis und etwas Chicken Yassa. Aminata grunzte zufrieden und ließ mich allein. Ich zog mich mit meinem Essen wieder zurück und zu meinem Erstaunen genoss ich die Speise sogar und vertilgte alles bis zum letzten Reiskorn.
Nachdem ich gegessen hatte, stellte ich die leere Schüssel neben mich und ließ meinen Blick über die versammelten Gäste schweifen. Ich suchte nach Modou und Lamin, konnte sie aber nirgends entdecken. Ich ließ meine Gedanken schweifen, dachte an mein Leben im Kombo und wie es jetzt war. Ich dachte an die Menschen, die mich umgaben, an Awa, Aminata. – Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Eben hatte Aminata ganz selbstverständlich in Mandinka mit mir gesprochen und nicht mal mit der Wimper gezuckt, dass ich ebenfalls in Mandinka geantwortet hatte. Das konnte nur eines bedeuten. – Sie wusste es! Aminata kannte mein kleines Geheimnis. Ich war mir noch nicht sicher, ob das nun gut oder schlecht war. Auf jeden Fall hieß das, dass ich erhöhte Vorsicht walten lassen musste. Niemand sonst durfte mein Geheimnis erraten.
Gegen Mittag brachte Awa mir den kleinen Lamin. Er quengelte und ich legte ihn sofort an die Brust. Gierig saugte er die Milch und verschluckte sich mehrmals.
„Hey, langsam! Niemand nimmt dir was weg“, sagte ich und klopfte meinem Sohn auf den Rücken, bis er aufhörte, zu husten, dann legte ich ihn erneut an.
„Wie geht es dir?“, wollte Awa wissen und schaute mich prüfend an.
„Ich weiß nicht. Irgendwie fühle ich mich unwirklich. Wie in einem schlechten Traum und ich hoffe immer, dass ich bald aufwache und mein Leben wieder in Ordnung ist.“
Ich strich Lamin gedankenverloren über das Köpfchen.
„Ich bin eine Gefangene und mein Mann ist ein gewalttätiges Monster. Kann es noch schlimmer kommen?“
Awa seufzte und schwieg eine Weile, ehe sie antwortete.
„Ich weiß, ich habe gut Reden, aber ich finde, du solltest die positiven Dinge deines Lebens sehen. Du hast einen wundervollen Sohn. Modou ist zwar kein Traummann, aber im Moment ist
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