Angst im Paradies
uns auf das Zimmer, wo sie mich gründlich untersuchte.
„Wie lange kann das noch dauern?“, wollte ich wissen.
Die Hebamme zuckte mit den breiten Schultern.
„Das kann noch Stunden dauern oder auch nicht. Das weiß niemand! Bis jetzt kann ich drei Finger reinstecken. Das ist erst der Anfang.“
Ich seufzte.
„Ich weiß nicht, ob ich das durchhalte!“
„Dir wird nichts anderes übrig bleiben“, meinte die Hebamme trocken. „Aufhalten kannst du es jetzt nicht mehr!“
*
Ich war schweißgebadet. Meine Haare klebten in feuchten Strähnen an meinem Kopf und Awa wischte mir alle paar Minuten den Schweiß von der Stirn. Die Wehen kamen und gingen nun schon seit über zehn Stunden. Ich fühlte mich ausgelaugt und wäre nicht Awa an meiner Seite, hätte ich schon längst allen Mut verloreen men n.
Die Hebamme war zwischenzeitlich etwas essen gegangen und hatte sich draußen die Beine vertreten doch nun war sie wieder ins Zimmer gekommen, gerade als endlich die Fruchtblase platzte. Ich schrie erschrocken auf, als sich ein Schwall warmen Wassers aus mir heraus auf das mit vielen Lagen Tüchern belegte Bett ergoss.
Die Hebamme nickte und murmelte zufrieden vor sich hin, als sie mit firmem Griff meine Schenkel mehr spreizte und den Muttermund prüfte.
„Jetzt geht es los Mädchen. Wenn die nächste Wehe kommt, press ein wenig. Aber nicht so viel, wir wollen erst einmal sehen.“
Ich tat wie geheißen, als die nächste Kontraktion kam, erleichtert, dass es jetzt scheinbar endlich dem Ende zu ging.
Eine halbe Stunde später wandelte sich die Erleichterung wieder in Mutlosigkeit. Ich hatte das Gefühl, die Schmerzen und die Anstrengungen keine Minute länger ertragen zu können, aber wie alle gebärenden Frauen musste ich die Erfahrung machen, dass man nicht einfach aufstehen und das Ganze hinter sich lassen konnte. Awa sah mittlerweile auch etwas besorgt aus, nur die resolute Hebamme schien nichts aus ihrer Ruhe bringen zu können.
„Das Kind hat einen großen Kopf und du bist eine sehr schmale Person. Ich werde jetzt ein wenig nachhelfen und den Muttermund über den Kopf des Babys schieben. Es wird sehr weh tun, aber dann ist es bald vorbei.“
Ich bekam plötzlich furchtbare Angst. Die Schmerzen waren jetzt schon unvorstellbar und es sollte noch schlimmer werden?
„Bei der nächsten Wehe press, lange aber vorsichtig.“
Awa drückte meine Hand.
„Du schaffst das!“, munterte sie mich auf.
Ich hatte das Gefühl, dass es scheinbar endlos dauerte, bis der Kopf endlich mit einem Plopp ins Freie glitt.
Ich schrie vor Schmerz und Erleichterung. Aber jetzt herrschte ein schier unvorstellbarer und unangenehmer Druck und ich wollte weiter pressen, um das Kind endlich aus dieser unangenehmen Lage herauszubekommen, doch die Wehe war vorbei und die Hebamme bremste mich.
„Warte! Mit der nächsten Wehe!“
Bei der nächsten Wehe glitt endlich auch der Rest des Kindes aus mir heraus und ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte und so tat ich beides. Auch Awa vergoss ein paar Tränen.
„Es ist ein Junge!“, informierte die Hebamme und legte das Kind auf meinen Bauch. „Jetzt press noch einmal ein wenig, die Nachgeburt muss noch raus.“
Es dauerte nicht lange und die Nachgeundeightburt war da. Damit war die Geburt vollendet und ich erleichtert. Meine Beine zitterten von der vollbrachten Anstrengung und die unterschiedlichsten Empfindungen prallten auf mich ein.
Zum ersten Mal betrachtete ich meinen Sohn. Er hatte die Augen zu Schlitzen geöffnet und war hell mit einem dunklen Flaum auf dem Kopf. Er würde erst mit der Zeit dunkler werden, das hatte ich gelesen. Sein Körper war erstaunlich kompakt mit kräftigen Armen und Beinen. Er war noch nicht gewaschen und voller Blut, Fruchtwasser und Käseschmiere, doch für mich war er das Schönste, was ich je gesehen hatte. Nachdem die Hebamme ihn abgenabelt hatte, nahm sie ihn wieder von meinem Bauch und wusch ihn.
Awa hatte die ganze Zeit meine Hand gedrückt und sie immer noch nicht losgelassen. Ich sah Awa an, die von dem Geburtserlebnis noch deutlich beeindruckt war.
„Ist er nicht wunderbar?“, rief Awa aus und drückte noch einmal meine Hand ganz fest.
„Ja, er ist das Wunderbarste, was mir je begegnet ist.“
Awa erhob sich und nahm den frisch gebadeten und in Tücher gewickelten Jungen von der Hebamme entgegen.
„Ich werde ihn jetzt der Familie zeigen. Sicher ist es dir lieber, wenn nicht alle hier hereinkommen.“
Ich nickte.
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